Kettensägen-Angreifer hatte zum Tatzeitpunkt toxischen Cocktail intus

Silvesternacht in Rönkhausen


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Das Siegener Landgericht. von Adam Fox
Das Siegener Landgericht. © Adam Fox

Rönkhausen/Siegen. Im „Kettensägen-Prozess“ um einen Vorfall in einer Rönkhauser Gaststätte hat am zweiten Verhandlungstag der Angeklagte Stellung bezogen. Der 51-Jährige Güner N. muss sich vor der 1. Großen Strafkammer des Siegener Landgerichts wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verantworten. Zum Tatzeitpunkt hatte er nicht nur Kokain konsumiert.


Direkt zu Beginn zeigte sich Güner N. am Donnerstag, 14. Juli, vor Gericht reumütig. „Ich möchte mich für die Tat entschuldigen. Es war keine Absicht und eine bösartige Reaktion von mir. Es tut mir leid“, so die ersten Worte des 51-Jährigen, der seit der Tat in der Silvesternacht 2021/22 in U-Haft sitzt.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte N. eine Beziehung mit einer Frau, die er 2021 kennengelernt hatte. Auf einer privaten Silvesterparty kam es zum Streit und die Freundin beendete die Beziehung.

Kokain, Wodka und Herztabletten

Danach habe er sich bei einem „ausländischen Mitbürger“ Kokain besorgt. „Wie viel?“ wollte die Vorsitzende Richterin Elfriede Dreisbach wissen. Eine genaue Mengenangabe könne er nicht machen. Er habe 170 Euro im Portmonee gehabt und davon 120 Euro direkt „verschnupft“. Neben dem weißen Pulver hat der 51-Jährige vor der Tat eine halbe Flasche Wodka - mit Energydrink gemischt - getrunken und zusätzlich Herzmedikamente eingenommen.

Er räumte ein, bereits vorher „zwischendurch“ Amphetamine (Speed) konsumiert zu haben. „Was heißt zwischendurch?“, wollte Elfriede Dreisbach wissen. „Ein paar Mal pro Woche. Seit dem Jahr 2020“, lautete die Antwort. Hauptgrund für den Konsum sei das Ehe-Aus mit seiner Frau nach 24 Jahren gewesen.

An die Tatnacht selbst könne er sich nicht erinnern. Nach dem Kokain-Konsum habe er einen Blackout erlitten. Noch einmal beteuerte Güner N., wie sehr ihm alles leid tue. „Ich habe nicht das Recht, jemanden zu schaden“, so der Angeklagte.

Sektflasche auf den Kopf gehauen

Deutlich besser an die Tatnacht konnte sich der 62-Jährige Wirt der Kneipe „Zum Rönkser Treff“ erinnern (Anm. der Red.: die Ex-Frau des Angeklagten ist nun mit dem Wirt in einer Beziehung). Mit seiner Lebensgefährtin sowie den Gästen sei er dabei gewesen, nicht nur ins neue Jahr zu rutschen, sondern auch mit einer Sektflasche auf seinen Geburtstag am 1. Januar anzustoßen.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Um 23.57 Uhr habe der Angeklagte, so der Wirt, die Kneipe – bewaffnet mit einem Küchenmesser – gestürmt und habe ihn mit dem Messer angreifen wollte. Im Innenraum angelangt, habe er dann einen Gast zur Seite gestoßen.

Der Angriff sei jedoch nicht erfolgt, da ein Gast den Angreifer von hinten in den Schwitzkasten genommen habe. Er habe dann die Flasche Sektflasche genommen und sie dem Angreifer über den Kopf gehauen, so der Wirt.

„Wir werden überall angesprochen“

Auch die Ex-Frau des Angeklagten befand sich in der Silvesternacht in der Kneipe. Die 56-Jährige war nach eigener Aussage geschockt, als sie ihren Ex-Mann sah. Als er fixiert werden konnte, habe er gesagt: „Schade, dass die Kettensäge nicht funktioniert hat. Ich hätte euch kaltgemacht.“

Die Ereignisse aus der Silvesternacht begleiten sie bis heute. „Ich habe Albträume und Panikattacken.“ Auch ihre Tochter leide unter der Tat. „Wir werden überall darauf angesprochen“, so die 56-Jährige.

Die Trennung nach 24 Jahren habe sich schon länger angebahnt. „Wir haben uns auseinander gelebt. Es hat einfach nicht mehr gepasst.“ Ihr Ex-Mann habe nicht vor Gewalt zurückgeschreckt und ihr Backpfeifen verteilt.

„Wenn ich eine Kettensäge höre...“

Ein weiterer Zeuge berichtete, er habe vor der Kneipe geraucht, als N. aufgetaucht sei und gerufen habe: „Geht mir aus dem Weg. Ich will euch nichts.“ In der Kneipe habe er den Angreifer kurz darauf überwältigen können. Er habe erst später realisiert, in welche Gefahr er sich begeben habe. „Nachts träume ich regelmäßig davon. Wenn ich irgendwo eine Kettensäge höre…“ Güner N. schaute in Richtung des Zeugen und sagte: „Ich danke dir, dass du mich festgehalten hast. Es tut mir leid.“

Der nächste Verhandlungstag ist am Montag, 25. Juli. Nach dem aktuellen Terminplan ist die Urteilsverkündung für Dienstag, 23. August, geplant.

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