„Ärmel hochkrempeln“ – Sigmar Gabriel trifft Nerv der Zuhörer in Olpe
Ex-Vizekanzler beim Unternehmertag
- Kreis Olpe, 12.06.2025
- Politik , Wirtschaft
- Von Rüdiger Kahlke

Olpe/Kreis Olpe. Das Blasorchester des Städtischen Gymnasiums Olpe spielte flotte Klänge und setzte damit einen beschwingten Kontrast zu Sigmar Gabriels Thema „Europa in unbequemer Zeit“. Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel war am Mittwochabend, 11. Juni, Gastredner beim Unternehmertag des Arbeitgeberverbandes Olpe und der Kreishandwerkerschaft.



In seinem 80-minütigen Vortrag in der Stadthalle Olpe skizzierte er die geopolitische und -ökonomische Weltlage. Mit seiner Analyse und den Rezepten wie Deutschland und Europa wieder zu alter Stärke kommen können, traf er den Nerv der 370 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kommunen.
Zuvor hatte Christopher Mennekes, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes, die Gäste begrüßt und den SPD-Politiker vorgestellt, der 13 Jahre lang die Bundespolitik mitgeprägt hat. Mennekes betonte die Bedeutung Europas für die Wirtschaft, hoffte, dass die Zollpolitik Trumps „krachend scheitert“, lobte die Ampel dafür, dass sie die Energiekrise gemeistert habe, forderte aber auch, dass Energiepreise und steuerliche Belastung der Unternehmen im Rahmen bleiben.

Aufrüstung und Lockerung der Schuldenbremse seien der „richtige Schritt“, um der Bedrohung durch Putin zu begegnen. Nötig sei aber auch eine Strukturreform und Debatte „über das, was wir uns leisten können“. Antworten darauf erhoffte sich Mennekes auch von Sigmar Gabriel.
Für den hatte die „Zeitenwende“ schon vor Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen. Die US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama hätten bereits den Blick auf die Region Indopazifik gerichtet. Die Weltordnung sei im Wandel. „Was für uns gut klingt, sieht im globalen Süden ganz anders aus“, so Gabriel. Man müsse akzeptieren, dass andere Kulturen ihren eigenen Weg gehen.
Putin wolle seine imperialistischen Ziele durchsetzen und nicht „Chef einer Großtankstelle, sondern Großmacht sein“. Er führe einen Krieg gegen den vermeintlich „dekadenten Westen“ und dürfe damit nicht durchkommen.

Gabriel wies darauf hin, dass unter Willy Brandt der Verteidigungsetat vier Prozent betragen habe, doppelt so hoch wie derzeit. Militärische Stärke und Verhandlungen sei zwei Seiten einer Medaille.


Im Zollstreit mit den USA solle man sich keine Illusionen machen, dass Trump in Europa einen Bündnispartner sehe. Als positiv wertet Gabriel, dass die Gespräche über die Zölle bisher vorankommen und hofft, dass sich ökonomische Vernunft durchsetzt. Es gelte, die USA an „Bord zu halten“. Gabriel warnte vor Populisten wie der AfD, die sich gegen Europa stelle. Das AfD-Programm sein „ein Programm für Massenarbeitslosigkeit“.

Der mehrfache Ex-Minister lobte die neue Regierung dafür, dass sie Europa näher zusammenführe, die Schuldenbremse gelockert habe, um die Bundeswehr zu modernisieren und ein 500-Milliarden-Paket für Infrastruktur aufgelegt habe. „Es wird nicht preiswerter, die Infrastruktur verkommen zu lassen.“

Aufgabe des Sozialstaates sei es, „Herkunft von Zukunft zu trennen, betonte der langjährige SPD-Vorsitzende. Der Sozialhilfe-Staat könne aber nicht das Ziel sein - hier müsse sich die SPD neu orientieren.

Gabriel forderte, man müsse den Menschen auch sagen, „dass die Zeiten anstrengender werden“ und „die wunderbaren Jahre vorbei sind“. Gabriel erinnerte an die schwierigen Zeiten nach dem Krieg und machte Mut: „Warum sollten wir das nicht auch schaffen?“.
Der Beifall zeigte: Der rote Sigmar Gabriel hatte den Nerv der Besucher im schwarzen Olpe getroffen. Bei Fingerfood und kühlen Getränken blieb anschließend noch Zeit für heiße Diskussionen.
