„Atemretter“: Warum der Lebensretter lebensgefährlich sein kann
Notfallsanitäter warnt vor Kauf
- Kreis Olpe, 02.12.2024
- Gesundheit & Medizin
- Von Jana Becker
Kreis Olpe. Droht ein Mensch zu ersticken, zählt jede Sekunde. Ein Produkt, der sogenannte „Atemretter“, verspricht schnelle Hilfe bei drohender Erstickungsgefahr. Notfallsanitäter Robin Terweiden sieht dieses Produkt als höchst problematisch und sogar lebensgefährlich an. Im Gespräch mit LokalPlus erklärt er, warum.
Die „Atemretter“ versprechen schnelle Hilfe bei einer Atemwegsverlegung, also bei drohender Erstickung durch einen Fremdkörper im Atemweg. Durch das Aufsetzen einer Maske und einem Pump-Mechanismus soll ein Vakuum erzeugt werden, das den Fremdkörper aus den Atemwegen herauszieht.
Robin Terweiden ist seit zwölf Jahren als Notfallsanitäter im Kreis Olpe tätig. Er bildet außerdem angehende Notfallsanitäter aus und gibt auch Erste-Hilfe-Kurse. Dort seien immer häufiger Personen, hauptsächlich junge Eltern, auf ihn zugekommen, die ihn auf die sogenannten „Atemretter“ angesprochen hätten.
Neugierig geworden, worum es sich bei diesem Gerät handelt, hat er sich intensiver mit der Thematik beschäftigt.
Die Idee hinter dem Produkt sei gut, sagt Robin Terweiden. Jedoch befürchtet er, dass Laien überhaupt nicht in der Lage sind, den Atemretter richtig anzuwenden. Durch seine Erfahrung als Notfallsanitäter und Ausbilder weiß er, wie schwierig es sein kann, Betroffenen solche Masken aufzusetzen: „Menschen, die zu ersticken drohen, die sind panisch und bewegen sich viel“, weiß der 33-Jährige.
Eine genaue Anwendung der Masken ist aber entscheidend für ihre Wirksamkeit. Das kann zum Beatmen eines Patienten zum Beispiel bei einem Atemstillstand oder bei einer Reanimation notwendig werden.
„Die Maske muss komplett dicht sein. Das ist selbst für geschultes Personal sehr schwierig, für Laien natürlich umso mehr und für panische Eltern fast schon unmöglich“, erklärt Robin Terweiden. „Um die Maske einem Menschen aufzusetzen, zwei- und auch einhändig, bedarf es bei der Ausbildung einiges an Übung.“
Kritisch sei auch, dass es zu dem „Atemretter“ kaum medizinische Studien gebe und dass, obwohl sie schon seit längerem auf dem Markt seien. Die Produktidee stammt aus Amerika. Mittlerweile kann der „Atemretter“ für nur wenige Euro in ausländischen Online-Shops oder auch als mehrteiliges Set für über 100 Euro von Unternehmen bestellt werden.
Robin Terweidens Recherchen zeigen: „Diese Unternehmen habe ihren Firmensitz nicht in Deutschland. Sie brauchen dadurch zum Beispiel kein Impressum. Außerdem schreiben sie auch, dass sie keine Haftung für etwaige Krankheits- oder Todesfälle durch die Nutzung des Produktes übernehmen.“ Das alles sei sehr zwielichtig.
„Die Werbevideos zu den Produkten spielen sehr stark mit Emotionen, besonders von jungen Eltern. Es werden Situationen gezeigt, in denen Kinder drohen zu ersticken und die üblichen Hilfeleistungen, die übrigens sehr schlecht ausgeführt sind, nichts erreichen. Erst der „Atemretter“ zeigt dann Wirkung“, so Robin Terweiden. „Das sieht natürlich toll aus.“
Aber weder Krankenhäusern noch Rettungsdiensten sind diese „Atemretter“ geläufig. Besonders gefährlich ist es, wenn sich die Anwender in einer Notfallsituation auf den „Atemretter“ verlassen und die üblichen Erste-Hilfe-Maßnahmen vernachlässigen. Dadurch kann wichtige Zeit verstreichen, was im schlimmsten Falle dem Betroffenen das Leben kosten.
Der Notfallsanitäter rät deshalb dringend vom Kauf eines solchen Produktes ab. Stattdessen sei der Besuch eines Erste-Hilfe-Kurses weitaus nützlicher.
Was tun bei Erstickungsgefahr?
- Betroffene auffordern zu husten.
- Wenn Husten keine Wirkung zeigt, den Betroffenen mit der flachen Hand auf den Rücken zwischen die Schulterblätter schlagen. Der Betroffene sollte sich dabei leicht nach vorne beugen.
- Zeigt auch das keine Wirkung, sollte der „Heimlich-Griff“ (auch „Heimlich-Manöver“ genannt) angewendet werden. Dafür stellt man sich hinter den Betroffen, der leicht nach vorne gebeugt ist. Die eine Hand wird zwischen Bauchnabel und Brustbeinende des Betroffenen platziert und mit der anderen Hand umschlossen. Dann mehrmals kräftig nach hinten oben in Richtung der eigenen Brust ziehen.
- Bei eintretender Bewusstlosigkeit umgehend mit Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen.
Quelle: Deutsches Rote Kreuz