Ein Spalt größer als die Tagebaugrube

LP-Randnotizen


Topnews
 von Grafik: Sophia Poggel
© Grafik: Sophia Poggel


Beschmierte Gemälde, blockierte Straßen und Aufstände im Schlamm rund um ein kleines verlassenes Dorf in seinen letzten Zügen. Die Schreie nach Veränderungen in der Klimapolitik werden lauter, die Wege des Protests radikaler.

In Nachrichten, Talkshows und sozialen Medien ist Lützerath ein heißes Thema, das die Gemüter spaltet. Wie weit darf Klimaaktivismus gehen? Zahlreiche Menschen sind empört über das Ausmaß, das die Proteste angenommen haben, wieder andere haben Verständnis für die Aktivisten.

Diskussion auf Facebook

Auch LokalPlus berichtete diese Woche über die Erfahrungen einer Wendenerin, die gegen den Kohleabbau in Lützerath demonstrierte. Die Facebook-Kommentare verdeutlichten, wie sehr das Thema polarisiert.

Einige Leser äußerten Kritik an der Vorgehensweise jener Aktivisten, die unter Anwendung von Gewalt versucht haben, sich durchzusetzen. Auch die Frage, inwiefern die Demonstrationen nach beschlossenem Kompromiss noch in rechtmäßigen und demokratischen Grundlagen wurzeln, spielte dabei eine Rolle.

Doch neben sachlicher Argumentation tauchten auch Beschimpfungen und Verallgemeinerungen auf: „Wer nichts kann und wer nichts ist, der wird Klimaaktivist!“ steht auf einem Spruchbild, und den Aktivisten wird „chronische Langeweile“ vorgeworfen. Ein Wort, das immer wieder ins Auge sticht: Klima-Terroristen.

Wo sind die Grenzen?

„Unter Terrorismus (abgeleitet über „Terror“ von lateinisch terror „Furcht“, „Schrecken“) versteht man kriminelle Gewaltaktionen gegen Menschen oder Sachen (wie Morde, Entführungen, Attentate und Sprengstoffanschläge), mit denen politische, religiöse oder ideologische Ziele erreicht werden sollen.“ So wird Terrorismus auf Wikipedia definiert. Dabei gebe es keine allgemeine wissenschaftliche Definition des Begriffes.

Das Wort „Klima-Terroristen“ wurde kürzlich zum Unwort des Jahres 2022 ernannt - und auch ich muss schlucken, wenn jemand diese Bezeichnung verwendet. Keine Frage: Der Zweck heiligt nicht die Mittel und auch ich bin der Meinung, dass Demonstrationen in einem friedlichen Rahmen stattfinden sollten und dass in Lützerath Grenzen überschritten wurden - sei es auf Seiten der Aktivisten oder der Polizei. Dass beide sich gegenseitig beschuldigen, erschwert eine neutrale Beurteilung der Situation zusätzlich. Aussage gegen Aussage, Überzeugung gegen Überzeugung.

Ziel nur gemeinsam erreichbar

Doch der Begriff steckt alle Personen, die sich im Kern für ein wichtiges Thema einsetzen, in dieselbe kriminelle Schublade. Auch solche, die sich friedlich für den Klimaschutz einsetzen. Und bei diesem geht es letztendlich darum, die Menschen zu schützen - und nicht, ihnen zu schaden.

Beunruhigend ist es, wenn dieses Ziel aus den Augen gerät und sich die Gesellschaft zunehmend in zwei Lager spaltet. In einer Welt der zugespitzten Extreme rückt ein Dialog in immer weitere Ferne. Und damit auch die Lösung eines Problems, das nur zu meistern ist, wenn alle an einem Strang ziehen.

Lorena Klein

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