IHK-Präsident Felix G. Hensel: Heimische Industrie ist Garant für Wohlstand

Abschiedsinterview


  • Kreis Olpe, 21.06.2022
  • Wirtschaft
  • Von Nils Dinkel
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IHK-Präsident Felix G. Hensel ist 75 Jahre alt. Er sieht die heimische Wirtschaft vor vielen Herausforderungen stehen. von Nils Dinkel
IHK-Präsident Felix G. Hensel ist 75 Jahre alt. Er sieht die heimische Wirtschaft vor vielen Herausforderungen stehen. © Nils Dinkel

Kreis Olpe. Nach achtjähriger Tätigkeit gibt Felix G. Hensel seinen Posten als Präsident der IHK Siegen auf. Im Interview mit LokalPlus hat der 75-jährige Unternehmer aus Lennestadt auf seine ehrenamtliche Tätigkeit zurückgeblickt und einen Blick in die Zukunft gewagt. Er sieht die heimische Wirtschaft vor vielen Herausforderungen stehen.


Wie blicken Sie auf Ihre Amtszeit zurück?

„Zufrieden und dankbar. Das Amt des Präsidenten ist fordernd, aber auch erfüllend. Die Zusammenarbeit innerhalb der IHK-Organisation, aber auch mit anderen engagierten Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in der Region hat mir Freude bereitet, weil sie stets konstruktiv und fruchtbar war.

Die IHK hat sich hier immer wieder als starke Stimme der Unternehmen und als Vermittler einsetzen können. Auf diese Weise konnte einiges bewegt werden. Das ist ein gutes Gefühl. Hierfür und dafür, dass ich in meiner Amtszeit auf ein gutes Team in der IHK vertrauen konnte, bin ich dankbar. Auch der Austausch mit den beiden anderen Kammern in Hagen und Arnsberg machte die Zusammenarbeit in Südwestfalen erfreulich.“

Was ist gut gelaufen, was schlecht?

„Positiv bewertet werden darf die insgesamt erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung in der Region in den acht Jahren meiner Amtszeit. Wir erlebten eine zunehmende Beschäftigung und stetig sinkende Arbeitslosenquoten.

Mit mehr als 180.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in 25.000 Betrieben im Kammerbezirk verzeichnen wir einen Höchststand. Gute Ertragslagen und Fortschritte bei der Digitalisierung kamen hinzu.

Gesamtbild eingetrübt

Eingetrübt wird das Gesamtbild durch die Corona-Pandemie mit ihren schlimmen Folgen für Teile der Wirtschaft, vor allem den Einzelhandel, die Gastronomie und für manchen Dienstleister. Aber auch die Industrie hatte und hat zu kämpfen, etwa mit unterbrochenen Lieferketten. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine führt nun zusätzlich zu Verteuerungen bei Rohstoffen, Material, Lebensmitteln und Energie.“

Welche Herausforderungen sehen Sie in den nächsten Jahren auf die Region zukommen?

„Nach wie vor arbeitet fast jeder zweite sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei uns im produzierenden Gewerbe. Die jüngsten Krisen zeigen erneut: Die Industrie ist Garant für Wohlstand und Beschäftigung. Wir sehen mit Sorge, dass entscheidende Grundvoraussetzungen für den produzierenden Sektor wegzubrechen drohen.“

Felix G. Hensel hört als IHK-Präsident auf. von IHK Siegen
Felix G. Hensel hört als IHK-Präsident auf. © IHK Siegen

Bei den Verkehrswegen gilt dies im Wortsinn. Als Achillesferse erweisen sich die Brücken, von denen viele nicht mehr stark belastbar sind. Für eine Region, die wie kaum eine andere auf Schwertransporte angewiesen ist, ist das schlecht. Die gesperrte Autobahnbrücke bei Lüdenscheid zeigt exemplarisch, wie weitreichend die Folgen sind.

Wenn etwa junge Berufseinsteiger von Bewerbungen in unseren Betrieben absehen, weil die regelmäßige Fahrt durch Lüdenscheid eine Zumutung ist, machen sich negative Folgen für die Unternehmen bemerkbar.

Fachkräfte überlebenswichtig

Dabei sind Fachkräfte für den heimischen Wirtschaftsraum überlebenswichtig. Überhaupt ist das Thema der beruflichen dualen Ausbildung ein Megathema der IHKs. Inzwischen können viele Ausbildungsplätze in unserer Region nicht mehr besetzt werden: Wir können nur bei Eltern und Schülerinnen und Schülern dafür werben, den Weg in den Beruf über eine qualifizierte duale Ausbildung zu beginnen. Der Weg in eine höher qualifizierte Weiterbildung oder ein Studium ist damit nicht verbaut!

Zudem benötigen wir auch in Zukunft eine verlässliche Energieversorgung. Alles andere hätte gravierende Folgen. Und dass hier – bei dem Thema Energieversorgung – die Welt nicht mehr in Ordnung ist, können wir inzwischen jeden Tag in den Nachrichten erleben.

Deutsche Wirtschaft auf schmalem Grat unterwegs

Der Krieg in der Ukraine und die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, auf welch schmalem Grat die deutsche Wirtschaft hier unterwegs ist. Woher wir zukünftig die Energie nehmen wollen, um die geforderte Dekarbonisierung der deutschen Industrie zu erreichen, bleibt sicher eine spannende und teure Herausforderung!

Ein weiteres Thema sind die nur wenigen zusätzlichen Gewerbegebiete in unserer IHK-Region: Wir sollten froh sein über langfristige Perspektiven für Industrie- und Gewerbeflächen. Stattdessen wird diesen Optionen aktuell kommunalpolitisch ein Riegel vorgeschoben. Wer so handelt, macht wirtschaftliche Entwicklung vor Ort weitgehend unmöglich. Die Zeche zahlen nachfolgende Generationen.

Warum haben Sie sich zum Aufhören entschieden?

Ich werde im Spätsommer 76 Jahre jung. Nach acht Jahren als IHK-Präsident und 44 Jahren als Mitglied der Vollversammlung war es einfach an der Zeit, den Staffelstab in andere Hände zu übergeben.

Konnten Sie alle Ziele (allgemein und persönlich) in ihrer achtjährigen Tätigkeit erreichen?

Ich freue mich, dass die IHK sehr erfolgreich unterwegs ist und in der Region auch überwiegend so wahrgenommen wird. Wenn ich hierzu einen kleinen Beitrag leisten konnte, stimmt mich das glücklich. Klar ist aber auch, dass eine Kammer nicht alles unmittelbar beeinflussen kann, schon gar nicht allein.

Gerne hätte ich am Ende meiner Amtszeit festgestellt, dass die heimische Wirtschaft ohne Rohstoffengpässe und Brüche in den Lieferketten boomt, dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen wie die Route 57 zügig voranschreiten, Planungsverfahren um die Hälfte verkürzt sind, Unternehmen von unnützer Bürokratie und zu hoher Steuerlast befreit sind und auch der Fachkräftemangel im Kammerbezirk der Vergangenheit angehört. Aber es sind eben auch sehr dicke Bretter, die hier kontinuierlich gebohrt werden müssen.

Die Arbeit als IHK-Präsident nimmt viel Zeit ein: Wie planen Sie diese Zeit künftig zu nutzen?

Das Amt ist sehr erfüllend, jedoch auch wirklich zeitintensiv. Ich habe es ausgesprochen gerne wahrgenommen. In der Hoffnung, weiter gesund zu bleiben, möchte ich etwas mehr Zeit für meine Familie und für sportliche Hobbys haben. Auch die eine oder andere Reise steht an und unser Hund hat auch schon eine andere Erwartungshaltung.

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