Nachgefragt: Woher kommt der Medikamentenmangel?
Erneute Lieferengpässe für Apotheken
- Kreis Olpe, 16.10.2024
- Gesundheit & Medizin
- Von Jana Becker
Kreis Olpe. Die Erkältungssaison ist gerade erst gestartet und schon jetzt gibt es Lieferengpässe bei manchen Medikamenten. Welche Ursachen die Problematik hat und was Betroffene tun können, weiß Ulf Ullenboom aus Olpe. Er ist der Vorsitzende der Bezirksgruppe Olpe des Apothekerverbands Westfalen-Lippe. LokalPlus hat mit dem Apotheker über den Medikamentenmangel gesprochen.
Wie akut ist der Medikamentenmangel?
Lieferengpässe stellen seit ewigen Zeiten ein Problem dar. Das betrifft immer andere Sachen und nicht vorhersehbare Produkte. Die Apotheker haben dann keinerlei Informationen darüber, wie lange so ein Lieferengpass besteht. Aktuell kursiert die Zahl 500 – das sind nicht 500 Wirkstoffe, sondern 500 Medikamente, die von diesen Lieferengpässen betroffen sind.
Hier in der Apotheke in Olpe sind zum jetzigen Zeitpunkt 70 Medikamente nicht lieferbar. Dabei handelt es sich um ganz verschiedene Medikamente wie bestimmte Beruhigungs- und Schlafmittel, Diabetiker-Mittel, Asthmastoffe und Augentropfen. Ebenfalls von Lieferengpässen betroffen sind aber nicht nur Arzneien, sondern auch Nahrungsergänzungsmittel.
Wodurch entstehen diese Lieferengpässe?
Lieferengpässe hängen damit zusammen, dass viele Medikamente nicht mehr in Deutschland produziert werden. So sind wir immer mehr abhängig von einzelnen ausländischen Standorten. Hinzu kommt, dass die Deutschen für ihre Medikamente wenig bezahlen wollen und andere Länder eher bereit sind, für Medikamente tiefer in die Tasche zu greifen. Damit sind wir in der Lieferkette natürlich ganz unten. Das System ist bis auf den letzten Pfennig runtergespart worden. Dass das nicht gut ist, haben wir Apotheker schon vor Jahren gesagt. Die Gesundheit ist unser höchstes Gut, für das aber niemand bereit ist, Geld zu bezahlen.
Welche Lösungsansätze gibt es für dieses Problem?
Das ist schwer zu sagen. Es müssten neue Produktionskapazitäten in Deutschland entstehen oder bestehende ausgeweitet werden. dann wären wir nicht mehr so abhängig. Das ist natürlich nicht einfach. Wir sind in einer Sackgasse gelandet und eine Kehrtwende wird teuer. Jetzt wird gesagt, dass der Großhandel einen Halbjahresbedarf an bestimmten Medikamenten im Vorrat haben sollte.
Welches Medikament rar ist, können die Apotheken aber vorher gar nicht wissen. So kann man sich auch keinen Vorrat anschaffen. Und selbst wenn die Apotheken das wüssten: Woher sollen die Medikamente denn kommen? Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Dann ist da noch die Problematik mit den Haltbarkeitsdaten. Wenn die Medikamente ablaufen, kann man die nicht mehr verkaufen. Wer soll das bezahlen?
Die Apotheken können sich oft nur retten, weil andere Firmen noch gleichwertige Medikamente anbieten. Die Zeiten, in denen man aus dem Vollen schöpfen konnte, sind aber definitiv vorbei.
Was passiert, wenn ein Medikament gebraucht wird, aber nicht verfügbar ist?
Wenn ein Medikament nicht verfügbar ist, dann gucken die Apotheken zunächst, ob es Firmen gibt, die ein gleichwertiges Medikament anbieten. Das können die Apotheker aber nur rausgeben, wenn es denselben Wirkstoff wie das verschriebene Medikament hat. Ist das nicht der Fall, muss erst der Arzt kontaktiert werden, der sich dann eine Alternative überlegt.
Was können Kunden tun, um die verschriebenen Medikamente zu erhalten?
Ich rate allen Kunden, so früh wie möglich mit Rezepten in die Apotheken zu gehen und das nicht aufzuschieben. Wir wissen nie, was am nächsten Tag noch verfügbar ist und wir haben auch keine Liste, die das vorher anzeigt. Außerdem ist es ratsam, früh genug für Nachschub zu sorgen. Man sollte keine Medikamente horten, aber ein gesunder Vorrat ist schon hilfreich. Vor allem, wenn es um Medikamente geht, die regelmäßig eingenommen werden müssen.