Notfallmedizin stärken und auf nächste Pandemie vorbereiten

SPD-MdB Baradari besucht LP-Redaktion


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Nezahat Baradari besuchte die LokalPlus-Redaktion. von Nils Dinkel
Nezahat Baradari besuchte die LokalPlus-Redaktion. © Nils Dinkel

Kreis Olpe/Altenhundem. Seit gut vier Jahren sitzt sie im Deutschen Bundestag – Nezahat Baradari aus Attendorn. „Politik zu machen ist schwieriger und komplizierter als meine frühere Arbeit als Kinder- und Jugendärztin“, gab die SPD-Politikerin bei ihrem Besuch in der LokalPlus-Redaktion in Altenhundem am Mittwoch, 22. Februar, zu.


Ganz schön stressig sei auch das Pendeln zwischen Berlin und Attendorn, berichtete sie weiter: „Man lebt aus dem Koffer“, so Baradari, die bei ihrem Besuch von ihren beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern Bernd Alexander und Sinan Ekiz begleitet wurde. Etwa 40 bis 45 Prozent ihrer Zeit verbringt sie in Berlin, wenn Sitzungswochen anstehen, bei denen übrigens Anwesenheitspflicht herrscht.

Gut die Hälfte der Arbeitszeit ist Baradari in ihrem Wahlkreis Olpe – Märkischer Kreis I unterwegs, der den Kreis Olpe und die sechs südlichen Kommunen des Märkischen Kreises umfasst. Ein Termin jagt den nächsten – so sieht es an den meisten Tagen aus. „Ich kann ohne meinen Kalender nicht mehr leben“, räumt die SPD-Abgeordnete beim Gespräch mit LP-Redaktionsleiter Wolfgang Schneider und seiner Stellvertreterin Kerstin Sauer ein.

Beim Besuch in der LP-Redaktion (v.l.): Bernd Alexander, Nezahat Baradari, Kerstin Sauer, Wolfgang Schneider und Sinanz Ekiz. von Nils Dinkel
Beim Besuch in der LP-Redaktion (v.l.): Bernd Alexander, Nezahat Baradari, Kerstin Sauer, Wolfgang Schneider und Sinanz Ekiz. © Nils Dinkel

Seit Beginn der laufenden Legislaturperiode gehört die Medizinerin „glücklicherweise“ dem Gesundheitsausschuss an, wo sie ihre berufliche Expertise einbringen kann. „Wir müssen aus der Corona-Pandemie Lehren ziehen und uns auf die nächste Pandemie vorbereiten“, sagte Baradari. Denn, so ist sie überzeugt: „Pandemien werden öfter auftreten als bisher. Es muss sein wie in einer Arztpraxis, in der der Notfallkoffer immer parat stehen muss und wo die Mitarbeiter immer geschult werden müssen.“

„Gesundheitspolitik globaler denken“

Außerdem gelte es, die Notfall- und Katastrophenmedizin zu stärken. „Bei all dem dürfen wir nicht nur auf Deutschland und die EU sehen, sondern auch auf die ärmeren Länder. Wir müssen bei der Gesundheitspolitik globaler denken“, so Baradari auf die Frage, was nach der Corona-Pandemie die vordringlichsten Aufgaben der Gesundheitspolitik seien.

Stichwort Corona: Unter der Pandemie mit langen Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen haben Kinder und Jugendliche besonders gelitten. Das weiß Nezahat Baradari sehr gut:

„Schulängste haben zugenommen, selbstverletzendes Verhalten und sonstige Auffälligkeiten auch. Es muss mehr in Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter investiert werden, um den Kindern und Jugendlichen zu helfen. Wenn wir sie nicht auffangen, wird das die Gesellschaft teuer zu stehen kommen“, erzählt die Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Töchtern.

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Für Kinder und Jugendliche werde in Deutschland nicht genug getan, räumt die Abgeordnete ein. Das liege auch daran, dass Politik sich an Wählergruppen und -interessen orientiere und versuche, deren Wünsche und Erwartungen zu erfüllen. „Kinder und Jugendliche sind keine Wähler. Deshalb ist es leider sehr schwierig, für sie etwas durchzusetzen“, sieht Baradari den Fehler im System.

Ärztemangel entgegenwirken

Auch das Thema „Ärztemangel im ländlichen Raum“ beschäftigt die Politikerin. Im Sauerland – und nicht nur dort – werden in absehbarer Zeit immer mehr Hausärzte ihre Praxen wegen fehlender Nachfolger schließen müssen.

„Programme, um junge Mediziner aufs Land zu holen, sind gut. Aber am wichtigsten ist es, die jungen Menschen von hier vor Ort zu halten, egal ob im medizinischen oder im Pflegeberuf. Damit das gelingt, müssen die Kommunen sich attraktiver darstellen“, glaubt Baradari.

Nezahat Baradari und die stellvertretende LP-Redaktionsleiterin Kerstin Sauer. von Nils Dinkel
Nezahat Baradari und die stellvertretende LP-Redaktionsleiterin Kerstin Sauer. © Nils Dinkel

Wichtig seien auch mehr Medizin-Studienplätze und neue, flexiblere Arbeitszeitmodelle für Ärzte, vor allem auch mit Blick auf Ärztinnen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren müssen. Weitere Bausteine zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sieht sie in der Gründung von Ärzte-Genossenschaften bei Praxen und dem Aufbau von Ärztehäusern, wo sich Mediziner die hohen Kosten für bestimmte Geräte teilen können. Für vordringlich hält die SPD-Abgeordnete die Entbudgetierung, damit Ärzte am Ende eines Quartals nicht mehr für lau arbeiten müssen.

Zugewanderte früher arbeiten lassen

Geboren in Ankara, liegt der Politikerin das Thema Zuwanderung und Integration am Herzen. „Damit Integration gelingt, müssen mehr Sprachkurse her. Und man sollte Zugewanderte früher arbeiten lassen, damit sie eine sinnvolle Beschäftigung und eine Perspektive haben“, findet sie.

Es gelte, an den Eckpunkten für eine geregelte Einwanderung zu arbeiten. Nezahat Baradari ist dabei eines ganz wichtig: „Jeder, der zu uns kommt, muss an der Grenze überprüft werden. Kriminelle dürfen wir nicht ins Land lassen.“

LP-Redaktionsleiter Wolfgang Schneider im Gespräch mit Nezahat Baradari. von Nils Dinkel
LP-Redaktionsleiter Wolfgang Schneider im Gespräch mit Nezahat Baradari. © Nils Dinkel

Knapp ein Jahr dauert der russische Angriffskrieg in der Ukraine jetzt schon. Bundeskanzler Olaf Scholz hat für seine zögerliche Haltung zu Waffenlieferungen reichlich Kritik einstecken müssen. Nezahat Baradari kann diese Kritik nicht nachvollziehen:

„Der Bundeskanzler ist dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet, und so handelt er auch. Wir können die Bundeswehr nicht ganz leer räumen und müssen in diesem ganz sensiblen Bereich sehr überlegt und besonnen agieren, so wie Olaf Scholz es tut. Wäre es nach Annalena Baerbock gegangen, hätten wir schon längst den Dritten Weltkrieg“, hat sie eine klare Haltung.

Solidarität nicht um jeden Preis

Es sei ein Ritt auf der Rasierklinge, zieht Baradari den Vergleich: „Wir wollen die Ukraine unterstützen und tun dies auch umfassend. Aber die Unterstützung endet da, wo unsere eigene Verteidigung in Gefahr gerät. Für mich gilt: Solidarität ja, aber nicht um jeden Preis.“

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