Rönkhauser spricht über Ausgang der US-Wahl und Trumps Absichten

Vorgartenkrieg und Schützenfestgefühl


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Michael Lehmann arbeitet für die Gedia Holding USA in Detroit. von Peter Mol from Pixabay
Michael Lehmann arbeitet für die Gedia Holding USA in Detroit. © Peter Mol from Pixabay

Detroit/Rönkhausen. Die USA haben gewählt: Donald Trump kehrt nach vier Jahren politischer Pause wieder ins Amt des Präsidenten zurück. Aktuell liegt der Republiker mit 277 Wahlmännerstimmen uneinholbar vor der Demokratin Kamala Harris (224 Stimmen). Auch in weiteren wichtigen politischen Ämtern gewannen die Republikaner an Einfluss. Eine Konstellation, die den „America first“-Ansatz Trumps erneut ermöglichen dürfte.


LokalPlus hat mit Michael Lehmann, 48 Jahre alt und gebürtiger Rönkhauser, gesprochen. Er lebte jahrelang in den USA und ist als lokaler Geschäftsführer für die Gedia Werke in den USA und Mexiko tätig. Lehmann lebt seit 2017 in Kanada, verfolgt die amerikanische Politik aber aufmerksam. Durch seine langjährige Arbeit in Nordamerika und seine Nähe zu den amerikanischen Standorten spürt er den Pulsschlag der Nation genau.

Stimmung vor der Wahl

Auf die Frage, wie die Stimmung vor der Wahl war, berichtet Lehmann von einer klaren Neigung in seinem Umfeld: „In den Bundesstaaten, in denen ich mich bewege, war sicherlich die Stimmung mehr pro Trump.“ Die amerikanische Wahlkultur, die für deutsche Beobachter fremd erscheinen mag, komme hier zur Geltung. „Der Wahlkampf findet in den Wohngebieten statt. Es ist normal, dass sich Vorgärten in eine wahre Parade politischer Stellungnahmen verwandeln,“ beschreibt Lehmann. Dabei waren es vor allem die Trump-Unterstützer, die durch kreative Installationen hervorstachen: „Wenn man im ersten Moment denkt, es handle sich um die alljährliche Halloween-Dekoration, erkennt man bei genauem Hinsehen einen Pappaufsteller von Donald Trump.“

Die amerikanischen Präsidentschaftswahlen sind ein nationales Großereignis, das Menschen bis in ihre Wohnzimmereinrichtungen beschäftigt und eine wochenlange mediale Dauerpräsenz erzeugt. Doch wie bereits 2016 und 2020 war auch der Wahlkampf 2024 von harten Angriffen und oft heftiger Rhetorik geprägt – für Michael Lehmann nicht unerwartet.

Ein Wahltag, der in Mexiko verfolgt wurde

Den Wahltag selbst erlebte Lehmann allerdings nicht in Kanada oder den USA, sondern in Mexiko. „Ich habe mich bewusst von der Berichterstattung entfernt“, gibt er zu. Dennoch war er neugierig auf die Entwicklung der Auszählungen. „Zu Beginn sah es für die Demokraten noch vielversprechend aus. Staaten wie Michigan, Ohio, Pennsylvania waren ‚blau‘, also pro Harris“, erklärt Lehmann. In den US-Großstädten herrschte Wahlpartystimmung auf beiden Seiten – die Begeisterung war förmlich greifbar.

Doch dann drehte sich der Trend zugunsten Trumps, was Lehmann nicht überraschte. „Ja, ich habe mit einem Sieg Trumps gerechnet“, sagt er bestimmt und nennt seine Gründe.

„Die Demokraten haben zu lange an Joe Biden festgehalten.”
— Michael Lehmann

Lehmanns Analyse fällt scharf aus: „Die Demokraten haben zu lange an Joe Biden festgehalten.“ Der ehemalige Präsident hatte sich vor rund drei Monaten aus dem Rennen zurückgezogen, nachdem Zweifel an seiner körperlichen und geistigen Verfassung laut geworden waren. Für Lehmann eine längst überfällige Entscheidung, die den Demokraten jedoch wertvolle Zeit kostete. „Seine Auftritte, besonders in den Debatten mit Trump, erinnerten mich an die späten Bühnenmomente von Johannes Heesters“, zieht er einen humorvollen Vergleich.

Auch die Entscheidung, mit Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin anzutreten, war für ihn schwer nachvollziehbar: „Vizepräsidenten hielten sich in der Vergangenheit meist im Hintergrund, aber Harris hat das für meinen Geschmack extrem auf die Spitze getrieben.“

Ein entscheidender Moment im Wahlkampf war für ihn zudem eine Aktion, bei der Trump nach einem Angriff auf ihn mit geballter Faust und einem blutenden Ohr vor der amerikanischen Flagge abgelichtet wurde – eine Szene, die Lehmann treffend als „Hollywood-reif inszeniert“ beschreibt und die in seinen Augen das patriotische Bild Trumps in den Herzen vieler Amerikaner festigte.

Volle Macht für die Republikaner

Was wird der Sieg Trumps für die USA bedeuten? Für Lehmann ist die Antwort eindeutig: „Trump wird sich voll und ganz auf ‚America first‘ konzentrieren.“ Auch Elon Musk werde Trump ins Kabinett holen. „Mit dem Ziel, den Regierungsapparat radikal zu verschlanken – also Vorsicht an alle, die ihm politisch in die Quere kommen!“, so Lehmann.

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Michael Lehmann lebt in Kanada und arbeitet in den USA und in Mexiko. So erlebte er die Präsidentenwahl.

Auch die Übernahme des Senats durch die Republikaner sieht Lehmann als bedeutendes Signal: „Die Republikaner kontrollieren nun das Weiße Haus, beide Kammern und haben den Obersten Gerichtshof auf ihrer Seite – also volle Macht voraus!“ Ein politisches Setting, das Trump großen Spielraum gibt und auf ein zügiges Durchsetzen seiner Agenda schließen lässt.

Und was bedeutet das für Europa?

Für Deutschland und Europa sieht Lehmann spannende, aber auch herausfordernde Zeiten kommen. Er erinnert daran, dass Trump „sehr nachtragend ist und sicherlich viele Dinge, die über ihn gerade in Europa gesagt wurden, nicht vergisst“. Die Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA werde maßgeblich davon abhängen, ob Trump in der Lage sei, sein Ego zu zügeln. Lehmann gibt sich vorsichtig: „Die Frage ist, ob er tatsächlich bereit ist, mit Deutschland und Europa konstruktiv zusammenzuarbeiten – oder ob er uns auf die lange Liste seiner ‚Feinde‘ setzt.“

Für Michael Lehmann ist der Sieg Trumps ein Ereignis, das den politischen Alltag Nordamerikas erneut auf den Kopf stellen wird. Inwieweit die Zusammenarbeit mit Europa bestehen bleibe und welche innenpolitischen Konsequenzen Trumps zweite Amtszeit nach sich ziehe, bleibe abzuwarten.

Als Deutscher in Nordamerika wird Lehmann die Entwicklungen weiterhin beobachten – und für ihn selbst fühlt sich das politische Geschehen in den USA aktuell an „wie nach drei Tagen Schützenfest“.

Symbolfoto: Nach den Wahlen in den USA steht Donald Trump vor dem erneuten Einzug ins Weiße Haus. von Pexels from Pixabay
Symbolfoto: Nach den Wahlen in den USA steht Donald Trump vor dem erneuten Einzug ins Weiße Haus. © Pexels from Pixabay

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