Stifte, Beitel und blutiger Ernst - eine Anekdote aus der Schulwerkstatt

LP-Randnotizen


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 von LokalPlus
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Es war ein Tag wie jeder andere im Technikunterricht – Holzspäne flogen durch die Luft, das Geräusch von Sägen und Hämmern erfüllte den Raum und der Lehrer philosophierte über die feinen Unterschiede zwischen Eiche und Buche. Doch heute sollte etwas Außergewöhnliches passieren, das den Alltagstrott durchbrach wie ein Stechbeitel die Butter.


Ein Schüler, den wir der Einfachheit halber Jens nennen, hatte bereits einige Bekanntschaften mit misslungenen Projekten gemacht. Dieses Mal sollte es ein hölzerner Stiftehalter werden. Mit der Präzision eines Chirurgen (oder zumindest dem Enthusiasmus eines solchen) setzte Jens den Stechbeitel an – und prompt in seine eigene Hand.

Blut floss und Jens, ein Meister der Selbstkontrolle, hielt die andere Hand auf die Wunde und machte sich auf den Weg zum Lehrer. „Herr Lehrer?“ fragte er höflich, wie man es von einem Schüler erwartet.

Doch der Lehrer, in ein tiefes Gespräch mit einem Mitschüler vertieft, winkte ab: „Du siehst doch, dass ich mich gerade unterhalte.“ Man kann sich kaum vorstellen, wie schwer es sein muss, eine solche Konversation zu unterbrechen. Aber Jens gab nicht auf.

Lehrer aus Entrücktheit gerissen

„Herr Lehrer?“ Noch einmal, diesmal mit einem Hauch Dringlichkeit in der Stimme. „Ich habe gerade keine Zeit!“, entgegnete der Lehrer. Nun, Jens, schon immer ein Freund der dramatischen Geste, zog seine blutende Hand hervor:

„Herr Lehrer, dann sollten Sie sich die Zeit mal nehmen!“ Der Lehrer, plötzlich aus seiner tiefen Entrücktheit gerissen, reagierte mit einem erschrockenen „Oh mein Gott. Was hast du gemacht?“

Was folgte, war ein Lehrbuchbeispiel schulischer Krisenintervention. Ein Mitschüler wurde losgeschickt, um Verbandzeug zu holen, und das Sekretariat alarmierte den Rettungsdienst. Der Rettungswagen kam pünktlich mit dem Pausenklingeln – eine Koordination, die selbst James Bond neidisch gemacht hätte.

Der Sowi-Kurs die bessere Wahl?

Nachdem Jens fachmännisch verarztet worden war, entschied er, wieder zum Unterricht zurückzukehren. Der Lehrer, noch immer etwas blass um die Nase, fragte ihn: „Was machst du hier?“ Eine Frage, die wohl für alle Beteiligten an diesem Tag den Höhepunkt an Absurdität markierte.

Schlussendlich durfte Jens früher nach Hause gehen, mit dem stillen Einverständnis aller, dass er vielleicht doch besser im Sowi-Kurs aufgehoben wäre. Denn eines war klar: Handwerklich war er eine Katastrophe, aber im Erzeugen von Schuldramen war er ein Naturtalent.

Ein unfall- und dramafreies Wochenende wünscht

Nils Dinkel

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