Wissenwertes rund um Steuern bei Behinderungen
Vielzahl von Erleichterungen für Menschen mit Handicap
- Kreis Olpe, 10.09.2024
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Kreis Olpe. Das Steuerrecht bietet eine Vielzahl von Erleichterungen für Menschen mit einer Behinderung. Neben dem Bereich des Lohn- und Einkommensteuerrechts mit seiner Vielzahl von Regelungen können Menschen mit Behinderung etwa auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer oder der Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen Entlastungen in Anspruch nehmen.
Steuerliche Vergünstigungen werden dabei grundsätzlich in Form von Freibeträgen, Pauschalen oder dem Abzug von tatsächlichen Kosten gewährt und müssen im Rahmen der jeweiligen Steuererklärung aktiv beantragt oder geltend gemacht werden.
Dabei können Arbeitnehmer bereits im laufenden Jahr profitieren. Durch das so genannte Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren können Pausch- oder Freibeträge schon auf den monatlichen Lohnsteuerabzug angerechnet werden.
Wie definiert das Steuerrecht den Status einer Behinderung?
Grundsätzlich können steuerliche Begünstigungen für eine Behinderung nur in Anspruch genommen werden, wenn eine durch einen ärztlichen Gutachter ausgestellte Bestätigung der Behinderung mit einem Grad von mindestens 20 vorgewiesen werden kann. Auch mit einem festgestellten Status als hilflos (Schwerbehindertenausweis-Merkzeichen „H“), blind (Schwerbehindertenausweis-Merkzeichen „BI“) oder taubblind (Schwerbehindertenausweis-Merkzeichen „TBI“) oder einem attestierten Pflegegrad von 4 oder 5 sind die steuerlichen Voraussetzungen an eine Behinderung erfüllt.
Das Einkommensteuergesetz sieht eine Person als hilflos an, wenn diese für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz jeden Tag fremde Hilfe oder zumindest eine dauernde Überwachung benötigt.
Ab einem Behinderungsgrad von 50 wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt, darunter muss für steuerliche Zwecke beim Versorgungsamt eine Bescheinigung beantragt werden. Der Nachweis der Behinderung ist bei erstmaliger Geltendmachung im Rahmen der Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt zu erbringen. Auch bei einer Verlängerungen eines zeitlich befristeten Behinderungsstatus wird der Nachweis stets von der Finanzverwaltung angefordert.
Welches sind die wichtigsten Erleichterungen bei der Lohn- und Einkommensteuer?
a) Außergewöhnliche Belastungen
Um unbürokratisch den Kosten im Zusammenhang mit einer Behinderung Rechnung zu tragen, kann einkommensteuerlich ein Behinderten-Pauschbetrag beantragt werden. Dabei ist die Höhe des Pauschbetrags von der Höhe des Behinderungsgrads abhängig und erstreckt sich gestaffelt von 384 Euro bei einem Behinderungsgrad von 20 bis hin zu 2.840 Euro bei einem Behinderungsgrad von 100.
Hilflose, taube, taubblinde Menschen oder Steuerpflichtige mit einem Pflegegrad von 4 oder 5 können sogar einen Pauschbetrag von 7.400 Euro beantragen, und zwar unabhängig vom Grad der Behinderung.
Der Pauschbetrag wirkt sich dabei im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen aus. Sollten im Laufe eines Jahres höhere tatsächliche Kosten entstanden sein, können diese anstelle des Pauschbetrags geltend gemacht werden. Die Belege sollten aufbewahrt werden, da sich das Finanzamt vorbehält, diese zum Zwecke der Prüfung anzufordern. Dies betrifft insbesondere Ausgaben für die Pflege, einen erhöhten Wäschebedarf sowie für die Hilfe bei wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens.
Zusätzlich zu dem Ansatz des Pauschbetrags können zum Beispiel behindertenbedingte Fahrtkostenpauschalen, Führerscheinkosten, behindertengerechte Umbaumaßnahmen etwa eines Autos oder einer Wohnung, Ausgaben für ärztlich verordnete Heilkuren oder Krankheitsaufwendungen wie Arzt-, Medikamenten- oder Operationskosten geltend gemacht werden.
Des Weiteren sind Mehrkosten für krankheitsbedingte Fahrten sowie eine ständig zu begleitende Urlaubsreise berücksichtigungsfähig. Letztere sind auf einen Betrag von 767 Euro begrenzt und setzen eine amtsärztliche Bescheinigung voraus.
Tatsächlich geltend gemachte Kosten werden, anders als der Pauschbetrag, vom Finanzamt um eine so genannte zumutbare Belastung gekürzt und wirken sich somit steuerlich nicht vollständig aus. Die zumutbare Belastung ist grundsätzlich von der Höhe der Einkünfte, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder abhängig.
Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen nur für einen Teil des Jahres bestanden, kann der Pauschbetrag dennoch in voller Höhe in Anspruch genommen werden.
Die bereits erwähnte behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale beträgt bei Menschen mit einem Behinderungsgrad von mindestens 80 oder mindestens 70 und zudem dem Merkzeichen für eine Gehbehinderung („G“) 900 Euro, bei Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung („aG“), Blinden („BI“), Taubblinden („TBI“), hilflosen Menschen („H“) oder Menschen mit Pflegegrad 4 oder 5 4.500 Euro. Anders als beim Behindertenpauschbetrag wird die Fahrtkostenpauschale für Behinderte als außergewöhnliche Belastung um den zumutbaren Anteil gekürzt.
Angehörige von behinderten Menschen haben ebenfalls die Möglichkeit, einen steuerlichen Pauschbetrag in Anspruch zu nehmen. Der so genannte Pflegepauschbetrag in Höhe von bis zu 1.800 Euro wird gewährt, wenn Angehörige eine Person im Inland oder EU-Raum in der eigenen Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen selbst pflegen.
Wie auch beim Behindertenpauschbetrag, wirkt sich der Pflegepauschbetrag im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen steuermindernd aus und wird zum einen nicht durch die zumutbare Belastung gekürzt. Zum anderen ist der Pflegepauschbetrag ebenfalls ein Jahresbetrag. Der Pflegepauschbetrag ist gestaffelt nach der Höhe des Pflegegrades und den Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis.
Bei Pflegegrad 2 der pflegebedürftigen Person werden 600 Euro gewährt, bei Pflegegrad 3 1.100 Euro. Ab dem Pflegegrad 4 oder bei Vorliegen einer der bereits oben genannten Behinderungsmerkzeichen kann ein Freibetrag von 1.800 Euro beantragt werden. Pflegende dürfen jedoch keine Einnahmen für die Pflege erhalten. Die Vereinnahmung des Pflegegeldes zählt dabei nicht zu den Einnahmen. Auch Angehörige können statt des Pflegepauschbetrages die tatsächlichen Kosten geltend machen. In diesem Fall sind diese ebenfalls gegenüber dem Finanzamt auf Anfrage nachzuweisen und werden um die zumutbare Belastung gekürzt. Pflegen mehrere Angehörige gemeinschaftlich, erfolgt eine Aufteilung des Pauschbetrages.
Auch für Kinder mit einer Behinderung sieht das Lohn- und Einkommensteuerrecht Erleichterungen vor. So können etwa Kinderfreibeträge oder das Kindergeld weiterhin ohne Altersbegrenzung des Kindes in Anspruch genommen werden, wenn eine Behinderung bei dem Kind vor dem 25. Geburtstag eingetreten und attestiert worden ist.
Zudem kann die Übertragung des Behindertenpauschbetrags oder der behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale beantragt werden. Der Regelfall ist hier die Übertragung auf die Eltern eines Kindes mit Behinderung, insofern ein Anspruch auf Kindergeld oder auf steuerliche Freibeträge besteht. Ebenso sind tatsächlich im Zusammenhang mit der Behinderung eines Kindes angefallene Kosten regelmäßig im Rahmen der Steuererklärung der Eltern anzusetzen, da diese sie wirtschaftlich getragen haben.
b) Werbungskosten
Berufstätige mit einem Behinderungsgrad von mindestens 70 oder mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 bei gleichzeitiger erheblicher Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Schwerbehindertenausweis-Merkzeichen „G“), können entweder einen pauschalen Kilometersatz von 0,30 Euro je tatsächlich gefahrenem Entfernungskilometer ohne weitere Nachweise oder die tatsächlich entstandenen Kosten für die Anreise zum Arbeitgeber geltend machen.
Letztere dürften insbesondere aufgrund von hohen Kosten für einen spezialisierten Pkw entstehen. Parkgebühren und Kosten eines Unfalls, der sich auf dem Arbeitsweg ereignet hat, sind ebenfalls als Werbungskosten abzugsfähig, und zwar auch zusätzlich zu dem Ansatz des pauschalen Kilometersatzes.
Welche Erleichterungen existieren in anderen Bereichen des Steuerrechts?
Neben den Erleichterungen im Lohn- und Einkommensteuerrecht sind vom Gesetzgeber auch bei weiteren Steuerarten Entlastungsmöglichkeiten für Menschen mit einer Behinderung vorgesehen.
a) Umsatzsteuer
Gemäß Umsatzsteuerrecht sind Umsätze blinder Unternehmerinnen und Unternehmer grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit, wenn diese maximal zwei Vollzeitarbeitnehmer beschäftigen. Nicht als Arbeitnehmer gelten bestimmte Angehörige und Auszubildende.
Ausgenommen von der Steuerbefreiung sind unter anderem Lieferungen gewisser Energieerzeugnisse. Auch die Umsätze von Blindenwerkstätten sind umsatzsteuerbefreit, wenn es sich um Lieferungen und sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Blinden- und Zusatzwaren im Sinne des Blindenwarengesetzes handelt und ausschließlich blinde Menschen an der Ausführung beteiligt waren.
b) Erbschaft- und Schenkungssteuer
Unabhängig von den allgemeinen Freibeträgen im Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht regelt das Gesetz eine Freigrenze, bis zu der für bestimmte behinderte Menschen eine Erbschaft oder Schenkung von oder an nahe Angehörige (Kind, Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern, Stiefkind oder Großeltern) bis zu einem Betrag von 41.000 Euro steuerfrei ist. Zusammengerechnet werden muss hierbei die Höhe des Erwerbs und das vorhandene eigene Vermögen des Erwerbers.
Der Erwerber muss infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen erwerbsunfähig sein oder wird durch die Führung eines gemeinsamen Hausstandes mit erwerbsunfähigen Kindern an der Ausübung einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert. Da es sich um eine Freigrenze handelt, ist bei einer Überschreitung der gesamte Erwerb grundsätzlich steuerpflichtig, sofern nicht der allgemeine Freibetrag nach Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht greift. Die Steuer wird jedoch maximal in Höhe der Hälfte des Betrages, der 41.000 Euro übersteigt, erhoben.
Fazit
Die Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung von Kosten im Zusammenhang mit einer Behinderung sind vielfältig. Oftmals muss eine fallbezogene Betrachtung erfolgen zum Beispiel dahingehend, ob die Voraussetzungen für eine Erleichterungen erfüllt sind und ob sich der Ansatz von Pauschbeträgen oder der von tatsächlichen Kosten als steuergünstiger darstellt. Für eine individuelle Beratung stehen wir Ihnen daher gerne zur Verfügung.