Zwischen Krisen und Work-Life-Balance: Kann Vier-Tage-Woche funktionieren?
Betriebe und Arbeitgeberverband im Gespräch
- Kreis Olpe, 26.09.2024
- Wirtschaft
- Von Lorena Kleinund Nils Dinkel
Kreis Olpe. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – das klingt für viele Arbeitnehmer verlockend und ist für manche schon Realität. Das Arbeitszeitmodell der Vier-Tage-Woche zielt auf eine bessere Work-Life-Balance und dadurch gesteigerte Produktivität. Doch geht dieser Plan, gerade vor dem Hintergrund von Krisen und Fachkräftemangel, auf? LokalPlus hat mit zwei Betrieben aus dem Kreis Olpe und dem Arbeitgeberverband Olpe gesprochen.
Bei Kuhlmann Elektrotechnik in Saalhausen ist der Freitag seit einiger Zeit ein freier Tag. Der Betrieb hat Ende 2023 auf eine Vier-Tage-Woche umgestellt und seitdem positive Erfahrungen gesammelt.
Nachdem sich das Unternehmen aus dem Privatkundengeschäft zurückgezogen und sich auf gewerbliche, industrielle sowie öffentliche Kunden spezialisiert hat, bot die Neuausrichtung laut Katharina Kuhlmann bessere Planbarkeit, was die Einführung dieses Arbeitszeitmodells erleichterte.
/p>/span>„Bereits vor der Umstellung konnten Mitarbeiter im Projektgeschäft freiwillig ihre Wochenarbeitszeit auf vier Tage verteilen. Nach einer sechsmonatigen Testphase wurde die Vier-Tage-Woche für alle Mitarbeiter verpflichtend eingeführt“, erklärt Katharina Kuhlmann.
Während viele Mitarbeiter die Änderung begeistert aufgenommen hätten, habe es anfangs Bedenken hinsichtlich der Organisation gegeben. Insbesondere die rechtlichen Vorgaben für minderjährige Auszubildende hätten zudem eine Herausforderung dargestellt.
„Trotz anfänglicher Startschwierigkeiten, etwa bei Terminvergaben oder der Erreichbarkeit, konnte der Übergang erfolgreich gestaltet werden“, so Katharina Kuhlmann. Die Arbeitszeit betrage nun 36 Stunden pro Woche, verteilt auf vier Tage mit neun Stunden pro Tag, wobei die Teams ihren Tagesbeginn flexibel gestalten könnten.
Das Unternehmen berichtet von einer gesteigerten Produktivität und einer verbesserten Work-Life-Balance für die Mitarbeiter. Auch die Kunden hätten sich an das neue Modell angepasst, und es sei zu keinen Beeinträchtigungen in den Geschäftsbeziehungen gekommen.
Kuhlmann Elektrotechnik empfiehlt anderen Unternehmen, die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche zu prüfen, sofern die internen Prozesse dies zulassen und ein motiviertes Team hinter der Umstellung steht.
Eine „starre“ Vier-Tage-Woche mit gleichen Arbeitstagen für alle Mitarbeiter sei im Kreis Olpe derzeit ein „Einzelfall-Modell“ und nur in wenigen Betrieben eingeführt worden, erklärt Thorsten Holzhäuser, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes für den Kreis Olpe.
Generell sei es ruhig um das Thema geworden, so sein Eindruck. Statt der Forderung nach einer Vier-Tage-Woche stehe eine ganz andere Frage im Vordergrund: „Wie geht es weiter?“ Viele Arbeitnehmer hätten aufgrund der Rezession Sorgen um ihren Arbeitsplatz, in anderen Bereichen herrsche Fach- und Arbeitskräftemangel.
Eine Vier-Tage-Woche könnten sich viele Unternehmen daher schlichtweg nicht leisten, so Thorsten Holzhäuser: „Wie soll es mit der reduzierten Arbeitszeit weiterhin gelingen, wettbewerbsfähig zu bleiben und die sozialen Sicherungssysteme zu stärken?“
Der Kreis Olpe und Südwestfalen zeichne sich vor allem durch eine starke Automobilzuliefer-Industrie aus. In der Metall- und Elektroindustrie sei eine 35-Stunden-Woche ohnehin schon verbreitet.
„Es ist immer eine betriebsindividuelle Entscheidung“, betont Thorsten Holzhäuser. Doch er geht nicht davon aus, dass sich das Modell in Zukunft durchsetzen wird. Vielmehr gehe der Trend hin zu flexiblen Arbeitszeiten: „Modelle der Zeitsouveränität, bei denen die Mitarbeitenden die Arbeitszeit mitbestimmen können, wie zum Beispiel bei der Gleitzeit“, erklärt der AGV-Geschäftsführer.
Intelligente Schichtmodelle, mobiles Arbeiten und Homeoffice seien ebenfalls Schritte in diese Richtung. Am Ende, so Thorsten Holzhäuser, müsse eine „Win-Win-Situation“ für Unternehmen und Beschäftigte stehen.
Bei der Firma Daub in Hünsborn fällt seit fast zwei Jahren für alle Mitarbeiter donnerstagsnachmittags der Stift. Statt 40 Stunden an fünf Tagen wird bei vollem Lohnausgleich seither 36 Stunden an vier Tagen gearbeitet. Die positiven Effekte, die sich das Unternehmen dadurch versprochen hat, sind eingetreten:
„Wir konnten unsere Prozesse ohne Qualitätsverlust straffen und dadurch die Produktivität steigern. Auch den Energieverbrauch im Bereich Strom konnten wir tatsächlich um circa 20 Prozent senken“, berichtet Geschäftsführer Volker Kaluza.
Weitere Pluspunkte: Den Fachkräftemangel habe die Firma durch das für Bewerber attraktive Modell begrenzen können, der Krankenstand sei gesunken und die Mitarbeiterzufriedenheit gestiegen. Für Daub habe sich die Vier-Tage-Woche gelohnt, so der Geschäftsführer. Zurück zu den alten Arbeitszeiten wolle mittlerweile niemand mehr.