Drei Monate „Lennestadt hilft“: Unfassbare ehrenamtliche Hilfe für Ukrainer
„Wir können sie nicht alleine lassen“
- Lennestadt, 02.06.2022
- Ukraine
- Von Kerstin Sauer
Lennestadt. Genau drei Monate ist es am Donnerstag, 2. Juni, her, dass in Kirchveischede unter dem Schlagwort „Lennestadt hilft“ eine Hilfsaktion für die Ukraine gestartet ist. Was als Sammelaktion begann, hat sich im Laufe der Monate zu einem perfekt organisierten, ehrenamtlich gestemmten Hilfssystem für Menschen in und aus der Ukraine entwickelt. Im Gespräch mit LokalPlus blicken Sabine, Simone und Matthäus zurück.
Von Anfang an, seit dem 2. März, unterstützen Sabine und Simone – zusammen mit einigen anderen fleißigen Helfern – die Hilfsaktion. War die Sammelstelle anfangs in der Kirchveischeder Schützenhalle untergebracht, so zog sie nach wenigen Tagen in das ehemalige Gewächshaus des Gartencenters Kremer in Altenhundem. Seitdem gehört auch Matthäus zum festen Kern des „Lennestadt hilft“-Teams.
Spenden entgegen nehmen, koordinieren, organisieren – das gehörte anfangs zu den Aufgaben des Teams. Wo bekommen wir Kaffeepulver? Welche Hygieneartikel sind notwendig? Was ist mit Tierfutter, was mit medizinischen Geräten? Nur sporadisch hatten die Helfer, zu denen zeitweise bis zu 30 Unterstützer gehörten, Kontakte in die Ukraine.
Doch je länger der Krieg dauerte, desto mehr kamen auch die Lennestädter Helfer mit ihm und seinen Auswirkungen in Berührung. Nicht zuletzt bei drei Hilfstransporten, die unter anderem Matthäus und Sabine in Richtung Polen und in die Ukraine führten. Seitdem, so sagt Sabine, ist der Krieg nicht mehr weit weg. Im Gegenteil: „Er steht vor der Tür.“
Im Laufe der Wochen änderte sich auch das Bild der Menschen, die aus der Ukraine flüchten mussten und in Lennestadt ankamen. „Am Anfang“, so erzählt Matthäus, „haben wir den Krieg nur aus der Ferne erlebt. Die Menschen, die hier ankamen, hatten vom Kriegsgeschehen direkt kaum etwas mit bekommen.“ Heute kämen Flüchtlinge in Lennestadt an, die tief traumatisiert sind. Die viele Wochen des Schreckens und der Angst hinter sich haben.
Und damit änderte sich auch die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer. Simone berichtet: „Wir helfen einigen Familien bei der Registrierung und Anmeldung im Sozial-, im Einwohnermeldeamt und bei der Krankenkasse. Wir begleiten zu Arztterminen und zum Frisör, koordinieren Anschaffungen wie Fahrräder, Rollatoren und Kinderwagen, erklären das Bus- und Bahnsystem und besorgen Kleidung.“
Vor allem den inzwischen zehn ukrainischen Familien, die die Lennestädter von ihren Fahrten Richtung Kriegsgebiet mit nach Lennestadt gebracht haben, steht das Team zur Seite. „Wir haben Verantwortung für sie übernommen“, betont Matthäus, „sie brauchen unsere Hilfe.“
Und dazu gehört beispielsweise auch die regelmäßige Fahrt mit einer jungen, an Leukämie erkrankten Ukrainerin in die Uniklinik nach Köln. Und der enge Kontakt zu der 80-jährigen Frau, die wochenlang unter Todesangst in einem Bombenkeller leben und in ihrem hohen Alter alles zurücklassen musste. „Das sind zehn Familien, zehn Schicksale, die wir begleiten – wir können sie nicht alleine lassen“, betont Sabine.
Eine Aufgabe, die die drei Helfer erfüllt. Sie aber auch ungemein mitnimmt und berührt. Täglich kommen Nachrichten per Handy mit Fragen und Bitte um Hilfe. Schnell musste das Team von „Lennstadt hilft“ einsehen, dass es nicht immer helfen kann. „Am Anfang“, erklärt Matthäus, „sind wir in eine Falle getappt und wollten überall helfen. Das geht auf Dauer nicht. Mit der Zeit haben wir gelernt, notwendige Hilfe und von der Möglichkeit der Selbsthilfe zu unterscheiden.“
Heute, so betont Matthäus, habe er sich von der missionarischen „Ich-nehme-dir-alles-ab-Mentalität“ verabschiedet. Er und seine Mitstreiter unterstützen, wo es notwendig ist. Und vermitteln, wo es geht. „Jeder Helfer hat seine Nische und seinen Fachbereich gefunden, damit haben wir ein Netzwerk aufgebaut“, erklärt Sabine. Die Hilfe sei zielgerichteter als in den ersten Wochen.
Und trotzdem: Immer noch investieren diese Menschen viele Stunden in der Woche in die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge. Damit diese Aufgabe weiterhin leistbar ist, hoffen sie auf weitere Hilfe. „Vielleicht könnten mit Hilfe der Stadt Lennestadt Patenschaften entstehen“, wünscht sich Simone. Oder gemeinsame Aktionen geplant sowie eine Liste mit Ansprechpartnern erstellt werden.
Ohne die Unterstützung aller Lennestädter ginge es nicht - darin sind sich die Helfer einig: Egal, ob die hiesigen Ärzte, die ihnen zur Seite stehen, oder alle Bürger, die spenden und unterstützen: „Dafür sind wir so dankbar!“ Wichtig, so bitten die Helfer eindringlich, sei es, dass die Hilfe nicht endet: „Wenn jeder nur ein bisschen gibt, dann können wir so vielen Menschen helfen.“
Lest morgen: Matthäus berichtet von seiner letzten Fahrt in die Ukraine - nach Charkiw, mitten ins Kriegsgebiet, in eine völlig zerstörte Stadt. Und von Ludmilla (80), die er dort kennen lernte und mit nach Lennestadt brachte...
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