„TikTok-Videos sind einfach keine Geschichten“ – zwei Autoren im Gespräch
Literarischer Herbst an den Lennestädter Schulen
- Lennestadt, 14.11.2024
- Kultur
- Von Lorena Klein
Lennestadt. Eine Woche im Herbst steht an den Schulen in Lennestadt jedes Jahr im Zeichen der Literatur. Dann ist wieder „Literarischer Herbst“ und zwei Autoren besuchen die Schüler für eine ganz persönliche Vorlesestunde aus ihren Werken. Ziel der veranstaltenden Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen öffentlichen Büchereien in Lennestadt ist es, damit die Freude an Büchern und am Lesen zu stärken. Diesmal waren die Kinderbuch-Autorin Anne Ameling und Jugendbuch-Autor Hansjörg Nessensohn auf Vorlese-Tour. LokalPlus hat mit ihnen gesprochen.
Wieso schreiben Sie für Kinder und Jugendliche?
Nessensohn: Mein erstes Buch „Und dieses verdammte Leben geht einfach weiter“ war meines Erachtens im klassischen Sinne kein Jugendbuch, sondern es wurde vom Verlag so positioniert. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an meiner Sprache, denn ich habe schon im Vorfeld als Drehbuchautor viele Jugendserien geschrieben. Es war auf jeden Fall nicht geplant.
Ameling: In der Elternzeit hatte ich wenig zu tun und fing an, mich mit Kinderliteratur zu befassen, weil eben ein Kind im Haus war. So bin ich dann selbst irgendwann dazu gekommen, dass ich kleinere Sachen aufgeschrieben habe. Und die sind über Umwege auf dem Schreibtisch einer Lektorin gelandet, die mich dann fragte, ob ich im Auftrag eine Geschichte über Ostern schreiben möchte. Ich hatte darauf einen Hasen vor Augen, der keine Lust mehr auf seinen Job hat und überfordert ist – daraus wurde mein erstes Buch „Hilfe für den Osterhasen“.
Welche Kinder- und Jugendbücher haben Sie persönlich besonders geprägt und vielleicht auch inspiriert?
Nessensohn: Bei mir war es auf jeden Fall „Die Mitte der Welt“ von Andreas Steinhöfel. Die Geschichte und die Erzählweise haben mich abgeholt.
Ameling: In meiner Jugend war „Der kleine Hobbit“ der totale Gamechanger. Das Buch hat für mich das Tor zu einer ganz neuen Welt aufgemacht. Tolkien ist ein großartiger Erzähler und „Der kleine Hobbit“ für mich das beste Kinderbuch, das jemals geschrieben wurde. Solche Geschichten wollte ich erzählen.
Wie bereitet man schwierige Themen kindgerecht auf?
Nessensohn: Ich glaube einfach mit Ehrlichkeit. Und indem man die Emotionen so nacherzählt, wie sie sind. In meinem ersten Buch geht es um die Schuldfrage. Der Protagonist, ein Jugendlicher, hat nicht auf seine Schwester aufgepasst und gibt sich die Schuld, dass sie verschwunden ist, vielleicht nicht mehr lebt. Aus dem Strudel nach unten entkommt er nur, weil er in seinem Leben wieder echte Freundschaften zulässt. Alle meine Bücher haben mehr oder weniger ein Happy End – nicht alles ist gut, aber für die Figuren hat die Geschichte etwas zum Positiven bewegt.
Ameling: Ich finde es total wichtig, dass schwierige Themen in Kinder- und Jugendbüchern vorkommen. Das ist manchmal auch ein Kampf, den wir mit den Verlagen führen, die bei Kinderbüchern teilweise sehr vorsichtig sind. Doch Kinder sehen, was in dieser Welt alles schiefläuft. Wir können ihnen nicht immer nur Zuckerguss geben. Sie brauchen auch Geschichten, in denen sie sich mit anderen Fragen auseinandersetzen können.
Was ist ihr Gefühl: Interessieren sich junge Leute heute weniger für Literatur?
Nessensohn: Es gibt die große Konkurrenz Handy. Da kann ein Buch irgendwann nicht mehr so richtig mithalten. Die Aufmerksamkeitsspanne ist deutlich geringer und man verlernt, richtig in eine Geschichte einzutauchen. Und TikTok-Videos sind einfach keine Geschichten.
Ameling: Was man vor allen Dingen merkt, und das finde ich fast noch tragischer: Den Kindern wird viel weniger vorgelesen. Der Literarische Herbst hier in Lennestadt ist deshalb ein tolles Format. Nach dieser Woche würde ich sagen: Das Buch ist nicht tot. Gerade in der Grundschule sind Kinder damit auch zu begeistern, aber es wird schwieriger, je älter sie werden.
Wie können Kinder und Jugendliche wieder dafür begeistert werden?
Nessensohn: Eine Lehrerin hat mir jetzt erzählt, dass sie in ihrer Schule einen Ruheraum zum Lesen eingerichtet haben und meinte, das wird total gut angenommen. Solche Sachen sind natürlich super.
Ameling: Ich glaube, dass man positive Begegnungen schaffen muss mit Büchern und Autorinnen und Autoren. Persönliche Begegnungen und positive Erfahrungen sind das, was hängenbleibt.
Über die Autoren und den Literarischen Herbst
Die Kinderbuch-Autorin Anne Ameling (*1976) hat im Rahmen des Literarischen Herbsts die Lennestädter Grundschulen besucht. Sie kommt gebürtig aus dem Münsterland und lebt mit ihrer Familie mittlerweile in Köln. Ameling hat Geschichte, Angelistik und Romanistik studiert. Nach Arbeit bei einem Verlag ist sie seit 2007 freiberuflich tätig, 2010 erschien ihr erstes Kinderbuch. Mehr zur Autorin und ihren Werken finden Interessierte hier.
Hansjörg Nessensohn (*1976) war zu Gast in den weiterführenden Schulen in Lennestadt. Er studierte Medienwissenschaften und lebt seit 2006 in Köln, sein Geburtsort liegt am Bodensee. Nessensohn schreibt für Jugendliche und junge Erwachsene, sein erstes Werk wurde 2019 veröffentlicht. Außerdem ist er als Drehbuchautor tätig - auch die Verfilmung eigener Werke strebt er an. Weitere Infos zum Autor und seinen Werken gibt es hier.
Der Literarische Herbst ist eine jährliche Veranstaltung der kirchlichen öffentlichen Büchereien in Lennestadt. Autoren touren dabei eine Woche lang von Schule zu Schule und lesen aus ihren Büchern vor.