Verbeek: „Der Standort Lennestadt kriegt die Abrissbirne verpasst“

Rat Lennestadt: Hintergründe zur Entwicklung im St.-Josefs-Hospital


  • Lennestadt, 27.06.2024
  • Politik
  • Von Kerstin Sauer
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Wie geht es am St.-Josefs-Hospital weiter? Die Zukunft ist ungewiss. Tatsache scheint zu sein, dass Gynäkologie, Geburtshilfe, Chirurgie und Anästhesie nicht mehr vorhanden sein werden. von Nils Dinkel
Wie geht es am St.-Josefs-Hospital weiter? Die Zukunft ist ungewiss. Tatsache scheint zu sein, dass Gynäkologie, Geburtshilfe, Chirurgie und Anästhesie nicht mehr vorhanden sein werden. © Nils Dinkel

Lennestadt. Das haben die meisten Lennestädter Ratsmitglieder in ihrer Amtszeit wohl noch nie erlebt: Weit mehr als 100 Zuhörer haben am Mittwoch, 26. Juni, an der Ratssitzung teilgenommen. Grund: Ingo Morell, Geschäftsführer der Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung, und Dr. Gereon Blum, Geschäftsführer der GFO-Kliniken Südwestfalen, erläuterten die Hintergründe der geplanten Schließung von Gynäkologie und Geburtsstation am St.-Josefs-Hospital Lennestadt.


Es waren vorwiegend Mitarbeiter, die sich in den Besucherreihen und auf der Empore versammelt hatten. Sie alle wollten von den Verantwortlichen hören: Warum stehen diese gravierenden Veränderungen an – und gibt es Hoffnung, die Pläne noch abzuwenden?

Ingo Morell ergriff das Wort. Er könne verstehen, dass die Emotionen hoch gehen, bat aber um ein sachliches Gespräch. Das sollte zu Anfang auch gelingen...

Weg von stationär, hin zu ambulant

„Fakt ist, dass es eine bundesweite Tendenz weg von stationären Aufenthalten hin zur Ambulantisierung gibt“, so Morell. Daneben seien drei Punkte ausschlaggebend für die Entscheidungen, die getroffen werden mussten:

  1. Es gibt eine Krankenhausreform, die das Ziel hat, sich auf wenige, spezialisierte Standorte zu konzentrieren.
  2. Es gibt den Fachkräftemangel: „Die medizinischen und pflegerischen Leistungen sind in den nächsten Jahren nicht aufrechtzuerhalten, vor allem nicht die 24/7-Bereitschaftsdienste.“
  3. Es gibt finanzielle Probleme: „Wir schreiben rote Zahlen (inflationsbedingte Kosten, Tariferhöhungen), in Lennestadt und auch in Olpe.“ Der gesamte GFO-Krankenhausverbund habe im vergangenen Jahr 23 Millionen Euro Verlust gemacht.
„Werden nicht überleben“

„Dieser Entwicklung müssen wir uns als Krankenhaus-Träger stellen“, betonte Morell. Der Standort Lennestadt sei für die Zukunft nicht gut aufgestellt, er habe seit Jahren nur durch den Verbund mit Olpe aufrecht erhalten werden können. „Häuser dieser Größenordnung werden in der Krankenhauswelt nicht überleben“, prognostizierte Morell.

An beiden Standorten, so führte er weiter aus, sei die Geburtshilfe defizitär. „Daher musste der Träger entscheiden: Was erhalten wir aufrecht? Am Ende würden wir sonst beide verlieren.“

Nun solle versucht werden, zumindest in Olpe die Geburtshilfe am Leben zu erhalten. Überlegungen gingen dahin, dass in Lennestadt weiterhin Hebammensprechstunden angeboten werden. Aber: „Was wir nicht aufrecht erhalten können, sind die Geburten, weil wir in Lennestadt in Zukunft auch keine Chirurgie und keine Anästhesie mehr haben werden.“

Not-OPs nicht mehr möglich

Soll heißen: Im St.-Josefs-Hospital sollen vorwiegend ambulante Eingriffe stattfinden. Käme es während einer Geburt zu Komplikationen, könne kein Noteingriff gemacht werden.

Einige Vertreter des Rats stellten im Anschluss Überlegungen an, wo noch „Schlupflöcher“ und Lösungen liegen könnten. So fragte Gregor Schnütgen (CDU), ob man bei den Anfahrtswegen – teilweise deutlich länger als 40 Minuten – zum nächsten Kreißsaal rechtlich intervenieren könne.

„Abrissbirne“ für den Standort Lennestadt

Deutlichere Worte fand Andreas Verbeek (Grüne): „Der Standort Lennestadt kriegt die Abrissbirne verpasst.“ Und Fraktionskollege Dr. Gregor Kaiser erklärte: „Mit Blick auf die Fahrzeiten wäre es sinniger, Lennestadt auszubauen und Olpe zu schließen. Aber das ist nicht umsetzbar.“ Wenn es eine Lösung gebe, dann werde das eine schwierige sein.

Und dann wurde es doch emotional, als Heinz Vollmer (SPD) das Wort ergriff: „Gibt es das Solidaritätsprinzip nicht mehr? Nur noch Zahlen? Es geht hier um das Anliegen von zigtausend Menschen. Wer darauf nicht hört, macht einen Fehler. Wer übernimmt denn die Verantwortung, wenn bei der Fahrt in den Kreißsaal etwas passiert?“ Lauter Beifall aus den Reihen der Zuhörer stimmte zu.

„Den schwarzen Peter nehme ich nicht“

„Den schwarzen Peter nehme ich nicht“, konterte Ingo Morell. „Wir haben keine Verantwortung dafür, dass sich die Krankenhauswelt verändert. Und dass die Reform jetzt wirkt – alle großen Parteien haben dafür gestimmt. Wir müssen jetzt ausbaden, was andere sich überlegt haben.“

Die GFO könne nicht riskieren, dass es am Ende gar keine Geburtshilfe mehr im Kreis Olpe gebe. „Die wollen wir in Olpe erhalten und dafür kämpfen wir. Ich glaube nicht, dass wir Lennestadt erhalten können, wenn die GFO irgendwann pleite wäre.“

Wie die zahlreichen Zuhörer reagierten und was der Rat der Stadt Lennestadt beschlossen hat, lest ihr gleich in einem weiteren Bericht auf LokalPlus.

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