Windkraft: Warnung vor voreiligen Pachtverträgen mit Fremdprojektierern
Rats-Sondersitzung in Lennestadt „Bürgerwind im Kreis Olpe“
- Lennestadt, 30.08.2022
- Politik
- Von Hartmut Poggel
Lennestadt. Der Ukraine-Krieg führt es schmerzlich vor Augen: Deutschland ist in seiner Energieversorgung nach wie vor sehr von der politischen Weltlage abhängig. Die Bundesregierung will den Ausbau erneuerbarer, im Land produzierter Energie vorantreiben und stuft sie als „privilegiertes öffentliches Interesse“ ein. Wie ein Modell dieser Energieproduktion aussehen kann, wurde am Montag, 29. August, in einer Sondersitzung des Rates der Stadt Lennestadt zum Thema „Bürgerwind im Kreis Olpe“ vorgestellt.
Die Sitzung endete mit einem Appell an die Lennestädter Grundstückseigentümer: „Schließen Sie nicht voreilig Pachtverträge mit Fremdprojektierer zur Errichtung von Windkraftanlagen auf Ihren Grundstücken ab!“
Dem vorausgegangen war ein ausführlicher, informativer Vortrag über das oben genannte Thema. Referent war Heinrich Thier, Geschäftsführer der BBWind Projektberatungsgesellschaft aus Münster, einem Tochterunternehmen des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV).
BBWind ist nach eigener Aussage der „größte Bürgerwindprojektierer in NRW“. Die GmbH sei ein „Akzeptanz- und Wertschöpfungsmodell für den ländlichen Raum“. Grundgedanke sei dabei, dass Grundstückseigentümer, Anwohner und Projektunterstützer „partnerschaftlich mit der jeweiligen Kommune“ Windparks betreiben unter dem Motto „Nicht verpachten, selber machen“.
Thier lobte in diesem Zusammenhang die Politik im Kreis Olpe: Die in der Gründungsphase stehende „Erneuerbare Energien Beteiligungs- und Entwicklungsgesellschaft im Kreis Olpe GmbH“ nannte er eine „super Sache“. „Im Kreis Olpe tut sich was, das ist echter Mehrwert.“ Gesellschafter des Wortungetüms sollen der Kreis und die sieben Kommunen werden. Diese Kreis-GmbH setzt auf einen Energie-Mix aus Wind, Sonne, Wasser und Geothemie, während sich BBWind ausschließlich auf Windkraft spezialisiert hat.
Zweck von BBWind ist laut Thier, „möglichst viele bäuerliche Bürgerwindparks zu initiieren“ und deren Betreibern beratend zur Seite zu stehen. Die GmbH soll lokalen Betreibern, laut Thier am besten in Genossenschaften organisiert („Wir wollen viele Anteilseigner mit wenig, anstatt weniger mit viel Geld“), vor Ort Starthilfe leisten. Außerdem soll sie „Grundstückseigentümern Risiken und Aufwand abnehmen“, mit dem Ziel „der Sicherstellung maximaler lokaler Wertschöpfung“.
Dadurch bleibe die Handlungshoheit weitestgehend vor Ort. Die „Bürgergenossenschaften“ sollen einzelne Windenergieanlagen (WEA) im Eigenbetrieb übernehmen und sich an weiteren als Kommanditisten an „Betreiber GmbH & Co. KG“ beteiligen. Mit diesem Modell sollen „Grundeigentümer unabhängig von Fremdinvestoren“ werden: Die Eigentümer entscheiden über Verpachtung oder Eigenbetrieb.“
Fremdprojektierer lassen, so der Referent, kaum Geld in der Region. Zudem bestehe bei dieser „Fremdsteuerung“ immer die Gefahr, dass die WEA mit erheblichem Gewinn an Investmentfonds weiterverkauft würden.
Heinrich Thier ging in der an den Vortrag anknüpfenden Fragestunde auch auf Sorgen um Artenschutz und Landschaftsverbrauch ein: „Wir sind an die Naturschutzgesetze gebunden. Die ,Rote Liste` bleibt tabu. Der Artenschutz muss genauso beachtet werden wie bisher.“
Zum Waldverbrauch: „Der ist minimal, durch den Borkenkäferbefall sind sehr viele Freiflächen entstanden.“
Er sieht auch keine Beeinträchtigung für das Sauerland als Tourismusregion: „An Nord- und Ostsee stehen auch viele Windmühlen. Die stören nicht.“ Das BBW-Modell lasse im Gegenteil die Akzeptanz steigen: „Ist doch toll, wenn ich an den sich drehenden Rädern mitverdienen kann. Außerdem ist es nur sinnvoll, den Strom auch da zu produzieren, wo er benötigt wird, und ihn nicht über weite Strecken zu leiten.“
Bürgermeister Tobias Puspas: „Energiekrise und -wende sind Themen, die die Menschen in Lennestadt bewegen, das hört man in jedem Gespräch. Mit dem hier vorgestellten Konzept können wir die Energieversorgung in die eigene Hand nehmen. Ich werde bei jeder Gelegenheit für den Beitritt Lennestadts zur Kreis-GmbH werben.“ Und mit Blick auf die auswärtigen Projektierer, die an Grundeigentümer herangetreten seien: „Ich hoffe, wir sind noch nicht zu spät.“
Puspas und Thier baten die Grundstückseigentümer um ein wenig Geduld: „Warten Sie auf die Kreis-GmbH und handeln Sie nicht voreilig!“