Mehrere Zeugen und Gutachter äußern sich zur Wendener Tatnacht

Angeklagte verantwortet sich wegen versuchten Mordes


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 von Adam Fox
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Siegen/Brün. Im Wendener Ortsteil Brün hat sich am 17. Februar gegen 3 Uhr morgens ein Kapitalverbrechen ereignet (LokalPlus berichtete). Eine stark alkoholisierte Frau (67) stach laut Anklage von Staatsanwalt Rainer Hoppmann mehrfach auf ihren schlafenden Ehemann ein und verletzte ihn schwer. Vor der 1. großen Strafkammer am Landgericht Siegen muss sich die Frau seit Donnerstag, 12. August, wegen versuchten Mordes verantworten. Am dritten Prozesstag, Dienstag, 24. August, schilderten Nachbarn, ein Polizeibeamter, ein Gutachter, der Sohn der Angeklagten und die Angeklagte selbst noch einmal ihre Erkenntnisse.


Zunächst einmal äußerte sich die Vermieterin des Hauses, die auch im Haus wohnhaft ist. Als sie erfahren habe, dass ihr Mieter, das Opfer der Tat, eine neue Frau an seiner Seite habe, habe sie sich für ihn gefreut. Mit beiden sei sie gut ausgekommen. Lediglich die Nachfrage nach Alkohol habe sie stutzig gemacht; nach dem dritten Mal sei ihre Gutmütigkeit am Ende gewesen.

Nach der Tat habe der Ehemann der Vermieterin dann „so manches“ erzählt. Auch beim Thema Alkohol habe der Mieter ihr die Exzesse gebeichtet. Einmal habe er sogar nachts zur Tankstelle fahren müssen, weil seine Frau ihn um alkoholischen Nachschub gebeten habe. Die Alkoholprobleme der Angeklagten bestätigte auch die Tochter der Vermieterin. Sie habe die Angeklagte einmal morgens um 7 Uhr alkoholisiert in der Waschküche getroffen.

Aussagen von Polizei und Opfer im Widerspruch

Geladen war auch ein Kommissar von der Kripo Hagen. Der Kommissar gab an, dass das Opfer den Vormittag keineswegs allein mit Angeln sondern gemeinsam mit seiner Frau Nordic Walking betrieben habe. Auch beim Angeben von möglichen Motiven kamen Unstimmigkeiten ans Tageslicht. Hatte das Opfer bei Gericht angegeben, dass er die Lebensgeschichte der Ex-Männer nicht kannte und sich kein Motiv erklären könne, offenbarte sich ein Widerspruch.

Beim Verhör mit der Kripo habe er angegeben, dass er sich die Tat seiner Frau dadurch erklären könne, da sie ihm im Alkoholwahn womöglich für den Ex-Mann gehalten habe. Insgesamt habe das Opfer trotz der Tat so gewirkt, als sei es Herr seiner Sinne. Beobachtungen des Polizisten zufolge habe der Mann genervt gewirkt. Das Verhalten sei ungewöhnlich gewesen für jemandem, der beinahe erstochen worden ist.

Sohn nimmt Mutter in Schutz

Ebenfalls war der Sohn der Angeklagten als Zeuge geladen. Sein Zeugnisverweigerungsrecht nahm er nicht wahr. Wie alle Mitglieder der Familie sei er geschockt darüber, was in der Nacht vorgefallen ist. Er habe vor der Eheschließung seiner Mutter geraten, sich nicht Hals über Kopf in die Ehe zu stürzen.

Mit dem neuen Partner seiner Mutter habe er keinerlei Schwierigkeiten gehabt. Nachdem der Partner aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe er sich mit diesem getroffen, um die Dinge seiner Mutter abzuholen. Dabei hätten sich beide über die Tatnacht unterhalten. Über die Alkoholkrankheit der Mutter war sich der Sohn im Klaren. Es habe Phasen gegeben, wo sie nur geschlafen und gesoffen habe. Dennoch bezeichnete er seine Mutter als liebevolle und kluge Frau, die Familie und Arbeit nie vernachlässigt habe.

Angeklagte bricht in Tränen aus

Die Angeklagte nutzte die Gelegenheit selbst um zu sprechen. Sie klagte über all jene Schicksalsschläge, die sie im Laufe ihres Lebens erlitten habe. Die Mutter sei im Bach ertrunken, sie habe keine Kindheit gehabt. Auch die Ehen seien unglücklich verlaufen.

Der erste Mann verstarb nach wenigen Jahren und der zweite sei ein Fremdgänger gewesen. Rückwirkend habe sie die dritte Eheschließung bereut. „Die Seele tut mir weh. Das Schlimmste ist, dass Oma im Knast sitzt“ sagte die Anklagte, bevor sie in Tränen ausbrach.

Gutachter attestiert verminderte Schuldunfähigkeit

Der für den Fall zuständige Gutachter, Dr. Martin Roggenwallner, gab an, dass der Alkoholgehalt zum Tatzeitpunkt bei 2,88 Promille gelegen haben muss. Der Nervenarzt aus Dortmund plädierte auf eine verminderte Schuldfähigkeit, nicht jedoch auf eine gänzliche Schuldunfähigkeit. Auch auf ihr Naturell ging der Gutachter ein: durch ihren starken Alkoholkonsum bestehe bei ihr eine sehr geringe Aggressivität. Es seien keine weiteren Straftaten zu erwarten.

Bevor Richterin Elfriede Dreisbach den Verhandlungstag schloss, gab sie zu Protokoll: „Das große Problem ist es, hier festzustellen, was geschehen ist und warum es geschehen ist“. Am Donnerstag, 26. August, wird der Prozess mit den Plädoyers fortgesetzt, bevor einen Tag später dann das endgültige Urteil verkündet wird.

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