Ereignisreicher Jahresauftakt im Heimatverein für das Drolshagener Land

Erinnerungsarbeit und Perspektive


Informativ und bewegend: Walter Wolf vom Heimatverein führte durch zwei Veranstaltungen. von privat
Informativ und bewegend: Walter Wolf vom Heimatverein führte durch zwei Veranstaltungen. © privat

Drolshagen. Mit zwei Veranstaltungen hat der Heimatverein für das Drolshagener Land jetzt wieder zu programmatischen Gesprächen eingeladen. Erinnerungsarbeit anlässlich 75 Jahre Befreiung von Auschwitz lenkte den Blick auf ein dunkles Kapitel der Geschichte, während der Vortrag „Wie sinn-voll ist Heimat?“ eine Perspektive für ein zukunftsorientiertes Verständnis von Heimat einläutete.


Zwei Stunden aufmerksames Zuhören ist schon eine Leistung, doch dies war für die Zuhörer der Lesung „Verweigerte Rückkehr - Ein Sauerländer jüdischen Glaubens in Auschwitz“ mehr als eine Pflichtübung. Sie konnten eintauchen in die lebendige Darstellung der Erfahrungen von Hans Frankenthal aus Schmallenberg, wie die Schikanen in seiner Heimatstadt in Judenhass eskalierten, in die Deportation, die grausame Wirklichkeit im Vernichtungslager Auschwitz und die „Verweigerte Rückkehr“ in seine sauerländische Heimat.
Zweistündige Lesung
Walter Wolf konnte aus Gesprächen mit Hans Frankenthal und anderen, denen das Schicksal der Juden in Schmallenberg vertraut war, auch Ergänzungen in sein Vortragen einbauen. Er schloss nach der zweistündigen Lesung mit dem Gedicht von Hanns-Dieter Hüsch „Das Phänomen“, das eine Warnung und Verpflichtung enthielt, schon früh alle Entwicklungen zu verhindern, damit „keine Asche mehr im Wind“ fliegt.

Die Teilnehmer, die aus dem weiten Kreisgebiet angereist waren, konnten in der Buchpräsentation der Buchhandlung Nierhoff aus Drolshagen die deutschlandweit letzten Exemplare des Buches „Verweigerte Rückkehr“ erwerben.
Befreiung von Auschwitz als Anlass
Der Heimatverein für das Drolshagener Land hatte die Veranstaltung anlässlich der Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren organisiert. Sie war auch Teil der Erinnerungsarbeit des Vereins, zu dem 2016 der Besuch von Auschwitz, 2019 der NS-Schulungsstätte Burg Vogelsang und im gleichen Jahr die Tafel zu Erinnerung an alle, die unter Flucht und Vertreibung gelitten haben oder noch leiden.
Erweiterter Heimatbegriff
„Du hast mir den Heimatbegriff ungeahnt erweitert. Danke.“ So schlossen zwei Teilnehmer nach einer intensiven Diskussionsrunde zu dem Vortrag „Wie sinn-voll ist Heimat?“. Mit diesem Vortrag und der anschließenden Diskussion griff der Heimatverein noch einmal ein Thema auf, das ihn in seinem Selbstverständnis trifft.

Walter Wolf vom Vorstand hatte hierzu umfangreiche Recherchen in der einschlägigen aktuellen Literatur, im Rückgriff auf klassische Veröffentlichungen von Max Frisch, Ernst Bloch und Giancarlo Milanesi und in der rechtsnationalen bis rechtsextremen Presse vorgenommen.
Zwei gegensätzliche Verständnisse von Heimat
Davon ausgehend stellte er zwei gegensätzliche Verständnisse von Heimat vor. Der in traditionellen und rechtsnationalen Milieus vertretene Heimatbegriff wurde als „normativ“ und vergangenheitslastig erläutert. Dabei konnte Walter Wolf auch offenlegen, wie dieser Heimatbegriff gerade in der Frage nach Sinn und Orientierung pseudoreligiösen Charakter aufweist.

Für eine Zukunftsoffenheit im Heimatverständnis entwickelte er im Rückgriff auf systemische und ökologische Wissenschaften einen neuen, tragfähigen Heimatbegriff, den er konsequenterweise auch „Ökologischen Heimatbegriff“ nannte.

„Entscheidend ist hier nicht ein Territorium mit seinen Grenzen, sondern was dieses Teritorium für das Zusammenleben von Menschen bedeutet. Nicht die überkommenen Strukturen selbst sind das Entscheidende, sondern die Prozesse, die ständig neue, besser an die Herausforderungen angepasste Strukturen bilden.“
Gutes Leben für alle
Der Vortrag schloss mit dem Fazit: „Einer solchen Heimat spreche ich den Sinn zu, den wir zur Entwicklung eines guten Lebens für alle brauchen. Denn das ist sinnvolle Heimat: „Gutes Leben für alle“.“
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