Attendorner Rentnerin: „Ich hab' keine großen Wünsche. Wofür?“

Weihnachten mit Grundsicherung im Alter


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Weihnachten ohne großen Konsum? Für Menschen mit wenig Geld eine normale Situation. von  Guido Raith
Weihnachten ohne großen Konsum? Für Menschen mit wenig Geld eine normale Situation. ©  Guido Raith

Attendorn. Auch wenn Corona die Stimmung drückt, lässt das Fest der Liebe hoffen auf bessere Tage. Dass es an Weihnachten nicht allen Menschen blendend geht, zeigt der Andrang bei der Attendorner Tafel. Wie fühlt sich das vor Weihnachten für die an, die nicht auf der Sonnenseite stehen? - Eine Momentaufnahme.


Der Hansestadt geht es gut. Zumindest bei Betrachtung der Statistik sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner in Attendorn - 2017 erhoben - beträgt knapp 40.000 Euro.

Also - alles super hier im Sauerland? Nicht ganz, denn immerhin sind etwa 7 Prozent - oder jeder 14. - in Attendorn auf Sozialhilfe, Hartz IV, Leistungen für Asylbewerber und Wohngeld angewiesen. Besonders hart trifft es in diesen Tagen arme und ältere Menschen, die durch die Auswirkungen der Pandemie nun auch kaum mehr vor die Tür kommen. Eine von ihnen ist Klara M. (Name geändert).

Schwierige Kindheit

Leicht hat es Klara, die in Olpe geboren worden ist, nie gehabt. Als Kind mit fünf Geschwistern und einem Vater, der oft krank war, gab es kaum Platz für Träume. „Wir waren ganz arm zu Hause. Es gab kein Fernsehen, keinen Kühlschrank. Wir hatten gar nichts“, erinnert sie sich. Nach der Schule in Dumicke drückten ihr die Eltern dann auch direkt die Koffer in die Hand.

Im Attendorner St. Barbara-Krankenhaus fing sie mit 14 Jahren als Putzhilfe an zu arbeiten. Anschließend ging es auf einen Bauernhof, wo die junge Frau Pferde- und Schweineställe ausmisten musste, und mit 23 lernte sie dann ihren Heinz (Name geändert) kennen. Einen Jungen und ein Mädchen brachte Klara auf die Welt, hielt den Haushalt in Schuss, während Heinz als Fernfahrer auf Achse war.

Nicht in die Rentenkasse

Bald musste sie trotz der Kinder wieder Putzen gehen, damit das knappe Geld für die kleine Familie reicht. Oft arbeitete sie auch schwarz. Es sei nicht anders gegangen, erzählt sie. In die Rentenkasse ging damals nichts. „Mein Mann hat viele Autos kaputt gefahren. Das musste immer bezahlt werden. Naja...“

Nicht einmal in den ganzen Jahren war die Familie zusammen im Urlaub. Manchmal gab es nicht mal ein richtiges Wochenende für alle, denn Papa arbeitete wochentags und am Samstag ging es für Klara bis Sonntagabend als Aushilfe in eine Pizzeria.

270 Euro im Monat zum Leben

Kurz vor dem Ruhestand entschied sich Klara schließlich, ohne ihren Mann in eine eigene Wohnung zu ziehen. „Hier kann ich tun und lassen, was ich will. Es ging einfach nicht mehr“, sagt sie, „auch wenn wir uns noch gut verstehen.“ Die Eigenständigkeit war der Seniorin wichtig, auch wenn der Preis, den sie dafür bezahlt, hoch ist, denn ihr Mann, der auch selbst nicht viel Geld zur Verfügung hat, unterstützt sie nicht.

„Das Amt bezahlt die Miete“, sagt Klara und meint damit, dass sie mit rund 200 Euro Grundsicherung, etwa 200 Euro Rente abzüglich Strom, Telefon und Bankgebühren noch ungefähr 270 Euro pro Monat übrig hat. Für alles, was anfällt. Lebensmittel, Getränke, Kleidung, Schuhe, Putz- und Hygieneartikel, Haushaltsartikel.

Jetzt, in Zeiten von Corona bedrückt das Kontaktverbot die älteren Menschen nicht nur – es lässt sie oft einfach verstummen, ohne dass sie selbst etwas dagegen tun können. Wer nur in seinen eigenen vier Wänden lebt bzw. als Angehöriger einer Risikogruppe Angst haben muss, sich schwerwiegend anstecken zu können, der spricht kaum mehr und droht von Fall zu Fall zu vereinsamen.

Pflegegrad drei

Das lange Arbeitsleben hinterließ auch körperliche Spuren bei Klara. Sie kann nicht mehr richtig laufen, hat Atemprobleme und mittlerweile Pflegegrad drei. Damit sie mit dem wenigen Geld, das ihr noch bleibt, überhaupt zurechtkommt, müsste sie die Attendorner Tafel besuchen, sich dort geben lassen, was andere nicht mehr kaufen mögen.

Weil die Beine aber nicht mehr so wollen, bekommt sie Unterstützung durch den diakonischen Fahrdienst „Wohl zu Hause“. Dieser bringt ihr die Lebensmittel wöchentlich nach Hause. Auch für Weihnachten hat man ihr alles Nötige gebracht.

Zehn Euro viel Geld

Enkelin Lisa (Name geändert) ist Omas Liebling. Dann hat die Seniorin ihre schönste Zeit. Auch Weihnachten verbringen beide zusammen und selbstverständlich kocht sie ihrer Enkelin den Lieblingspudding. „Das ist mein Mädchen. Ich tue alles für sie.“

Und die Zwölfjährige hilft ihrer Oma auch, wo sie kann. Dass Oma sich die zehn Euro, die sie ihrer Enkelin ab und an in die Spardose steckt, vom Mund absparen muss, weiß Lisa nicht. Oma Klara ist genügsam, hat sich nie viel gewünscht. Dazu gab es auch keine Möglichkeiten. Als ihre Mobilität mehr und mehr eingeschränkt wurde, bekam sie vom Kreis Olpe Taxi-Gutscheine. Jetzt kennt die Seniorin beinahe alle Taxifahrer der Umgebung persönlich.

Weihnachten nicht allein

Weihnachten verbringt Klara mit der Familie. Für Enkelin Lisa gibt es neue Bettwäsche und Besteck als Geschenk. Außerdem hat sie noch etwas zum Anziehen für den Enkelsohn besorgt.

Mit ihrem Mann hat Klara mal darüber gesprochen, dass es schön wäre, einen neuen Schlafanzug zu haben, „wenn man mal ins Krankenhaus kommen sollte“. Einen schönen für zehn Euro hat sie sich dann auch ausgesucht. „Ich hab' keine großen Wünsche“, sagt sie, „Wofür?“

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