Hotline-Odyssee: Der lange Weg zum Impftermin

LP-Randnotizen


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 von Grafik: Sarah Menn
© Grafik: Sarah Menn


„Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt“ sagt ein altes Sprichwort. Als es hieß, dass ab Samstag alle über 60-Jährigen einen Impftermin bekommen könnten, war mir klar, das würde nicht einfach werden. Ab 8 Uhr sollten die Leitungen zur Terminreservierung freigeschaltet sein und auch die Website.

Also schellte mein Wecker schon früh und ich machte mich für beide Wege startklar. Zuerst natürlich die Hotline, aber parallel loggte ich mich auf 116117.de ein, oder eher, ich versuchte es. Zuerst ein Nutzerkonto bei Samedi anlegen, hieß es da. Okay, kein Problem (dachte ich) und wartete auf die Verifizierung. Zwischendurch immer mal wieder Wahlwiederholung zur Hotline. Samedi schlief wohl noch, denn mein Nutzerkonto war nach Stunden noch nicht freigeschaltet.

Wahlwiederholung als bester Freund

Also wieder Hotline, diesmal per Handy mit komfortabler Wahlwiederholung. Nach 290 Versuchen gab ich zunächst auf, um wenig später noch einmal durchzustarten. Blick ins Emailkonto: Samedi schlief immer noch.

Also blieb nur die Hotline. Meine Wahlwiederholung ächzte schon. Am frühen Nachmittag bekam ich eine Nachricht von einem alten Schulfreund. „Im Impfzentrum Ennest wird man von heute bis Montag ohne Termin geimpft, ich bin schon in der Warteschlange“. Zuerst glaubte ich an einen verspäteten Aprilscherz, aber Hermann sandte mir ein Foto von ihm vor Ort.

Frustration macht sich breit

Ich schaute auf die Website des Impfzentrums, fand aber keinen Hinweis. Und immer mal wieder die Hotline, aber inzwischen schon etwas apathisch. Ich nahm mir vor, morgen schon ganz früh nach Ennest zu fahren. Und dann kam die nächste Nachricht meines Freundes: Er hatte rund vier Stunden gebraucht und war durch. Aber jetzt sollte das Impfen ohne Termin eingestellt werden, der Andrang sei zu groß.

Frustriert setzte ich mich auf den Balkon in die Sonne, ließ nebenher, jetzt ohne Erwartung die Wahlwiederholung ihre Arbeit machen. Und plötzlich – mir wäre fast die Kaffeetasse entglitten – eine sonore Stimme, die mir sagte, ich sei mit der Hotline zur Terminvergabe verbunden. Freudig überrascht verließ ich hastig den Balkon, um Nebengeräusche zu vermeiden.

„Leg jetzt bloß nicht auf“

Es folgte Ansage – Musik – Ansage, immer wieder. Ich dachte an die Götter und den Schweiß und wartete immer noch gespannt, da ich nun ja „mit dem nächsten freien Mitarbeiter“ verbunden werden sollte. Nach zehn Minuten eine andere Stimme! Aber nein, es war nur eine weitere Ansage, die mich darauf aufmerksam machte, dass mehr als 1.200 Mitarbeiter die Anrufe entgegen nehmen.

Nach 60 Minuten Warteschleife rief ich auf dem Festnetz meinen Sohn an. „Ich bin in der Warteschleife, aber unsicher, ob da nicht auch ein technischer Defekt vorliegt.“ Seine eindringliche Bitte: „Leg jetzt bloß nicht auf“ und „Mama, wenn sich einer meldet, lass ihn bitte leben.“ „Natürlich, sie können ja nichts dafür“, versprach ich.

Also, weiterhin in der Leitung bleiben. Um es abzukürzen: Nach endlosen 4 Stunden und 20 Minuten Hotlinegedudel legte ich entnervt auf. Gönnte mir aber noch einen letzten Versuch im Internet. Und plötzlich, ich traute meinen Augen kaum, antwortete Samedi und nach nur wenigen Klicks durfte ich tatsächlich meine Termine buchen. Ende gut, alles gut.

Allen Ü60-Jährigen, denen es gestern ähnlich erging, sei gesagt: Ostern ist das Fest der Hoffnung, also gebt nicht auf!

Sigrid Mynar

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