Seltener Gendefekt: Kilian (11) braucht dringend Knochenmark

Jeder kann helfen – und sich registrieren


  • Olpe, 12.06.2021
  • Verschiedenes
  • Von Kerstin Sauer
    Profilfoto Kerstin Sauer

    Kerstin Sauer

    Redaktion


    E-Mail schreiben
Topnews
„Ich schaffe das schon“, davon ist Kilian überzeugt. Und freut sich über jeden, der sich bei der DKMS registrieren lässt. „Wenn nicht uns geholfen wird, dann vielleicht einer anderen Familie“, sagt seine Mama Sarah Henke. von Kerstin Sauer
„Ich schaffe das schon“, davon ist Kilian überzeugt. Und freut sich über jeden, der sich bei der DKMS registrieren lässt. „Wenn nicht uns geholfen wird, dann vielleicht einer anderen Familie“, sagt seine Mama Sarah Henke. © Kerstin Sauer

Altenkleusheim. Nein, Angst hat er nicht. Dafür hat Kilian schon zu viel erlebt. 21 Operationen in seinen elf Lebensjahren, zahlreiche Lymphknoten-Abszesse, fünf Knochenbrüche. Alles tapfer hinter sich gebracht. Auch der notwendigen Knochenmarktransplantation blickt der Sechstklässler recht gelassen entgegen. „Es muss ja sein“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Jetzt hoffen er, seine Eltern und seine Schwester, dass bald ein passender Spender gefunden wird.


Kilian hat das Hyper-IgE-Syndrom (siehe Infokasten), ein Gendefekt, der bei einem von 100.000 Menschen vorkommt und der meist vererbt wird. Bei Kilian nicht. „Eine Laune der Natur“, weiß seine Mama Sarah Henke. Bevor im August 2020 die Diagnose gestellt wurde, standen jahrelang andere Vermutungen im Raum. Eine Lebensmittelallergie beispielsweise. Alle Anzeichen hätten darauf hingedeutet, erinnert sich die Altenkleusheimerin: „Die Blutergebnisse, der Hautausschlag – die Ärzte waren sich sicher, dass Kilian allergisch auf Milch und Gluten reagiert.“ Also wurde der Junge über Jahre gluten- und milchfrei ernährt.

„Ich  kenne es ja nicht anders“

Hinzu kamen immer wiederkehrende Lymphknoten-Abszesse, seit Kilian anderthalb Jahre alt war. Alle mussten operativ entfernt werden. Plus die Knochenbrüche: „Jeder Arm zwei Mal und einmal mein Bein“, erzählt der Elfjährige. Völlig nüchtern, ohne zu dramatisieren. Findet er scheine Situation schlimm? Die Antwort hinter der FFP2-Maske kommt sofort: „Ich kenne es ja nicht anders.“

In einer Reha vor zwei Jahren wurde Kilian wieder auf eine Lebensmittelallergie getestet – ohne Ergebnis. Damals gaben die Ärzte ihm die Erlaubnis, wieder normal zu essen. Süßigkeiten, Pizza – Dinge, die für andere Kinder zum Alltag gehören, durfte der Sechstklässler zum ersten Mal ohne Sorge zu sich nehmen. Sein Papa Frank lacht: „Damals hat er zum ersten Mal einen Cheeseburger bei McDonalds gegessen – ein Erlebnis!“

Fahrrad fahren, klettern, Online-Spiele: Kilian ist ein ganz normaler Junge und möchte keine Sonderbehandlung. Seine Eltern Frank und Sarah unterstützen den Elfjährigen dabei, wo es nur geht. von Kerstin Sauer
Fahrrad fahren, klettern, Online-Spiele: Kilian ist ein ganz normaler Junge und möchte keine Sonderbehandlung. Seine Eltern Frank und Sarah unterstützen den Elfjährigen dabei, wo es nur geht. © Kerstin Sauer

Im August letzten Jahres nahm sich ein Arzt aus dem Uniklinikum Gießen-Marburg des Jungen an. Untersuchte ihn genau, machte Gentests – und stellte seine Diagnose: Hyper IGE-Syndrom. Einzige Hoffnung auf Besserung: eine Knochenmarktransplantation.

Sarah Henke erinnert sich nur ungern an den Moment: „Es war, als würde uns der Boden unter den Füßen weggezogen.“ Denn: „Der Eingriff ist nicht einfach und sehr langwierig.“

Acht Wochen Krankenhaus

Zuerst müsste Kilian unter Vollnarkose ein Port gelegt werden, über den er im Anschluss eine Woche lang die Chemotherapie erhält. „Damit sein Knochenmark zerstört wird“, erklärt Frank Henke. Ab Tag 0, wenn Kilian das Knochenmark transplantiert wird, muss er acht Wochen lang in der Klinik, meist auf der Isolierstation, bleiben. Nach vier Wochen wird bei einer Punktion kontrolliert, ob sich das neue Knochenmark vermehrt hat und ob es angewachsen ist.

Sechs Monate darf Kilian dann nicht in die Schule. Ein langer Weg, der vor ihm liegt – doch der Elfjährige sieht ihm gelassen entgegen. Nur die Chemotherapie, die macht ihm Sorgen. „Ich weiß ja nicht, was da auf mich zukommt“, sagt Kilian zögerlich. Fügt aber sofort hinzu: „Es muss ja sein. Nach der Transplantation muss ich endlich keine Medikamente mehr nehmen, mich nicht immer eincremen. Dann kann ich endlich normal sein.“

Die Sekundarschule Olpe-Drolshagen entwarf diesen Flyer, um bei der Suche nach einem Knochenmarkspender zu helfen. von privat
Die Sekundarschule Olpe-Drolshagen entwarf diesen Flyer, um bei der Suche nach einem Knochenmarkspender zu helfen. © privat

Sein Papa nickt zustimmend: „Die Transplantation ist die einzige Möglichkeit, dass Kilian nicht sein Leben lang Antibiotikum nehmen muss.“ Und Sarah Henke weiß, dass der Zeitpunkt für den Eingriff jetzt perfekt wäre: „Organisch ist er derzeit ganz gesund. Wenn er jetzt krank werden würde, beispielsweise eine Infektion der Lunge, würde diese irreparabel geschädigt.“

Und noch ein anderer Gedanke beschäftigt die 37-Jährige: „Ich wünsche mir, dass er alles überstanden hat, wenn er ein Teenager wird. Dass er mal mit seinen Kumpels losziehen kann, ohne Einschränkungen, und endlich unbeschwert seine Jugend genießen kann.“

Rücksicht - ja. In Watte packen - auf keinen Fall!

Denn schon seine Kindheit, so weiß die Mama, sei immer von der Krankheit begleitet gewesen. Auch wenn sich die junge Familie bemüht, dass sich nicht alles um Kilians Gesundheitszustand dreht: „Unsere Familie besteht aus vier Personen“, sagt Sarah Henke lachend und hebt besonders ihre 16-jährige Tochter Maya hervor: „Sie beschwert sich nie und nimmt immer Rücksicht auf Kilian. Gerade jetzt, während der Corona-Zeit, schränkt sie sich total ein.“

Rücksicht – ja. In Watte packen – „auf keinen Fall“, betonen Sarah und Frank Henke, „das will Kilian auch gar nicht.“ Im Gegenteil: Der Elfjährige fährt gerne Fahrrad, liebt Online-Spiele und klettert in der Pause auf dem Schulhof der Sekundarschule Olpe am liebsten auf dem Klettergerüst herum. Und will keine Sonderbehandlung bekommen.

Kilian und seine Klassenlehrerin Kerstin Meiswinkel: Sie unterstützt die Familie, wo es nur geht. von Kerstin Sauer
Kilian und seine Klassenlehrerin Kerstin Meiswinkel: Sie unterstützt die Familie, wo es nur geht. © Kerstin Sauer

Das weiß auch seine Klassenlehrerin Kerstin Meiswinkel: „Kili und seine Familie gehen sehr offen mit der Situation um. Und wir sprechen auch in der Klasse offen darüber.“ Soziales Lernen wird an der Sekundarschule Olpe-Drolshagen groß geschrieben. Das zeigt sich auch gerade jetzt, bei der Suche nach einem passenden Spender für Kilian:

Mit einem Flyer hilft die Schule bei der Suche nach einem Spender. Normalerweise hätte das Team der Sekundarschule auch eine Typisierungsaktion unterstützt. Aber: „Während der Pandemie darf so eine Aktion nicht stattfinden. Aber jeder, der sich registrieren lassen möchte, kann direkt bei der DKMS ein Registrierungs-Set kostenlos anfordern. Der Test ist einfach und völlig schmerzlos.“

Schon einmal hatte die Familie Erfolg: Eine passende Spenderin war gefunden, am 21. Mai sollte die Therapie im Uniklinikum Gießen-Marburg stattfinden. Alles war vorbereitet, die Schule informiert, auf der Arbeit bei Kirchhoff Automotive in Attendorn und in der Zahnarztpraxis Can Firsatbul in Olpe alles geregelt – da sprang die Spenderin zwei Tage vor der OP ab. Ein Schock für die Eltern. Doch Kilian nahm die neue Entwicklung klaglos hin: „Dann finden wir einen anderen Spender“, ist der Elfjährige überzeugt.

Der Optimismus ihres Sohnes und sein Glaube daran, dass alles gut wird, hilft auch Sarah und Frank Henke: „Uns geht es besser, weil er so entspannt damit umgeht.“ Trotzdem hofft die Familie, dass sich viele, viele Menschen registrieren lassen und irgendwo dazwischen ein passender Spender für Kilian ist. Er selbst ist fest davon überzeugt: „Ich schaffe das schon!“

Hintergrund

Das Hyper IgE Syndrom ist eine Multi-Systemerkrankung, d.h. es sind mehrere Strukturen im Körper gleichzeitig betroffen. Die wesentlichen Symptome sind wiederkehrende Abszesse der Haut und Weichteile, Lungenentzündungen sowie eine ekzematöse Hauterkrankung.

Die DKMS ist eine internationale gemeinnützige Organisation und verfolgt seit 1991 das Ziel, möglichst vielen Menschen eine zweite Lebenschance zu geben. Dies ist bis heute mit mehr als 10,5 Millionen registrierten Lebensspendern durch die Vermittlung von Stammzellspenden bereits mehr als 91.000 Mal gelungen. Damit ist die DKMS weltweit führend in der Versorgung von Patienten mit Stammzelltransplantaten.

Artikel teilen: