Deutliche Rückgänge bei Ausbildungsverträgen und hunderte offene Stellen

IHK-Lehrstellen-Halbjahresbilanz


 von Symbol Nils Dinkel
© Symbol Nils Dinkel

Kreis Olpe. 1.237 Lehrverträge haben die IHK-zugehörigen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen – 442 weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der starke Rückgang von 26 Prozent verteilt sich nahezu gleichgewichtig auf beide Kreise.


„Ein deutlich sinkendes Lehrstellenvolumen hatten wir erwartet, einen solchen Einbruch jedoch nicht. Die Wucht, mit der der regionale Lehrstellenmarkt momentan nachgibt, ist schon erstaunlich. Dies umso mehr, als hunderte von Lehrstellen nach wie vor für geeignete Bewerber offenstehen.“

Mit diesen Worten kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener die Lehrstellenlage in IHK-zugehörigen Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe zwei Monate vor dem Start des neuen Ausbildungsjahres.
670 von 1.100 Ausbildungsbetrieben befragt
Man stehe in gewisser Weise vor einem Paradoxon. Einerseits sei es wenig hilfreich, eine Entwicklung wegdiskutieren oder gar schönreden zu wollen, die von einem derart starken Rückgang des bisherigen Volumens geprägt sei. Andererseits seien immer noch hunderte von Lehrstellen offen, die schnell mit geeigneten Bewerbern zu besetzen wären.

Vor diesem Hintergrund habe die IHK in den vergangenen fünf Tagen 670 ihrer rund 1.100 Ausbildungsbetriebe in einer breit angelegten telefonischen Blitzumfrage um ihre Einschätzung der Lage und auch um Nennung noch offener Stellen gebeten.
Hochrechnung: 550 bis 600 Ausbildungsplätze frei
Das Ergebnis sei erstaunlich gewesen. 57 befragte Unternehmen aus dem Kreis Olpe und 111 aus Siegen-Wittgenstein gaben an, gerne noch Lehrstellen mit geeigneten jungen Menschen zu besetzen. 358 offene Ausbildungsplätze wurden dabei der IHK gemeldet, 111 davon im Kreis Olpe.

IHK-Referatsleiterin Sabine Bechheim: „Rechnet man diese Zahl auf alle IHK-zugehörigen Ausbildungsunternehmen hoch, sind derzeit in rund 250 Unternehmen sicher noch 550 bis 600 Lehrstellen direkt zu besetzen. Gemeinsam mit der Agentur für Arbeit wird sich die IHK in den kommenden Wochen bemühen, im Lehrstellenendspurt 2020 zusätzliche betriebliche Ausbildungsverträge zu erreichen.“

Fast überhaupt kein befragtes Unternehmen gab an, aus der betrieblichen Erstausbildung aussteigen zu wollen. Viele haben jedoch ihr Ausbildungsengagement aus konjunkturellen Gründen reduzieren müssen. Hierfür sind aus Sicht der IHK insgesamt vier Sachzusammenhänge wesentlich. Zunächst entfallen rund 70 Prozent der im IHK-Bereich eingetragenen Lehrverträge auf die heimischen Industrieunternehmen, die traditionell rund ein Jahr vor Lehrbeginn ihre Verträge unter Dach und Fach bringen.

Im letzten Quartal 2019, also exakt in der Zeit, als die Lehrstellen für den Jahrgang 2020 zu besetzen waren, brach jedoch die Konjunktur erstmals deutlich ein. Dies erkläre zu einem wesentlichen Teil, dass die Industrie bei den eingetragenen Ausbildungsverträgen erstmals seit Jahren ihr Einstellungsverhalten drosselte.
Artikel teilen: