Vier Versionen der Messerstecherei in Olpe: Wer hat zugestochen?

Tag 2 im Prozess mit überraschender Wende


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Landgericht Siegen von LG Siegen/Justiz NRW
Landgericht Siegen © LG Siegen/Justiz NRW

Siegen/Olpe. Unterschiedliche Versionen und ungeklärte Fragen im Messerstecher-Prozess am Landgericht in Siegen: Nachdem der Angeklagte am Montagvormittag, 30. Januar, darauf hinwies, dass er unschuldig und sein Bekannter der wahre Täter sei, der am Rande des Olper Schützenfestes auf zwei junge Männer eingestochen haben soll (LokalPlus berichtete), schilderten auch die drei geladenen Zeugen ihre Erinnerungen an die Tatnacht. Dabei gab es einige Widersprüche.


Als erster Zeuge sagte Patrick O. (alle Namen von der Redaktion geändert) aus, den der Angeklagte zuvor als den eigentlichen Täter bezeichnet hatte (siehe Ursprungsbericht unten). Im Gerichtssaal räumte er die Tat ein. Mit einem Küchenmesser habe er den beiden geschädigten 29-Jährigen mehrere Messerstiche zugefügt.

Diese Tat beschrieb er als Affekt. Patrick O. betonte, große Angst gehabt zu haben, da er von einem sehr betrunkenen Mann angerempelt und darauf von allen Seiten angegriffen worden sei. Mit dem Messer habe er sich in der ersten Auseinandersetzung verteidigt.

Danach habe er gesehen, wie sein Begleiter - der Angeklagte - auf dem Boden lag und getreten wurde. Patrick O. sei dazwischen gegangen und habe auf die zweite Person eingestochen.

Widersprüche und Lücken

Die Version des Geschehens, wie Patrick O. sie im Gerichtssaal wiedergab, unterschied sich in einigen Punkten von der Version des Angeklagten. So habe er das Messer direkt nach der Tat in einen Bach in Olpe geworfen, es später wiedergeholt und irgendwann mit einem Bolzenschneider zerstört. Auch die genannten Einstichstellen deckten sich nicht mit den tatsächlichen Verletzungen der beiden Geschädigten. An einige Einzelheiten konnte er sich zudem nicht mehr erinnern.

Doch vor allem eine Frage brannte Richterin Sabine Metz-Horst auf der Zunge: Warum jetzt das Geständnis - sechs Monate nach der Tat? Hier erklärte O., dass er Klarheit bringen und den Angeklagten Eric T. entlasten wolle, der seinetwegen schon so lange in Untersuchungshaft säße.

Begleiter des Angeklagten als passiv erlebt

Der nächste geladene Zeuge war Philipp I., einer der Geschädigten. Der 29-Jährige sei den ganzen Abend vor der Tatnacht mit seinem Freund Felix C. unterwegs gewesen. Aus einem anfänglichen Wortgefecht mit Patrick O. habe sich eine Rangelei mit dem Angeklagten Eric T. entwickelt, der sich in die Situation eingemischt haben soll.

Den Stich im Wirbelsäulenbereich habe er erst durch plötzliche Nässe am Rücken gespürt. Wann und wie ihm die Verletzung zugefügt wurde, konnte er nur spekulieren. Er vermutet aber, dass der Angeklagte zugestochen haben muss, als er sich nach der Rangelei umgedreht habe. Seinen Begleiter Patrick O. habe er die meiste Zeit als sehr passiv wahrgenommen.

Freund heftig attackiert

Sein Freund Felix C. sei darauf in der zweiten Auseinandersetzung schwer mit dem Messer verletzt worden. Der Zeuge glaubte sich zu erinnern, dass der Angeklagte über diesem gehockt und zugestochen habe. Auch betonte er, dass er versucht habe, die beiden auseinanderzureißen.

Seine eigenen Verletzungen konnten genäht werden und er verbrachte einen Tag im Krankenhaus. Doch das Trauma sitzt noch heute tief. Sein Freund, weiß er, hätte an seinen Verletzungen sterben können.

Opfer blickte Täter direkt ins Gesicht

Felix C. äußerte sich darauf als dritter Zeuge und damals lebensgefährlich verletztes Opfer zur Tatnacht. Kurze Zeit nach der ersten Auseinandersetzung sei auch er gewaltsam angegangen worden und er habe eine Klinge erblickt - doch da sei es schon zu spät gewesen.

Der Person mit dem Messer habe er mehrere Sekunden lang ins Gesicht geguckt, betonte der Zeuge - und meinte damit den Angeklagten Eric T. Daran habe er keinen Zweifel. Er habe gesehen, wie das Messer gezogen wurde, sagte Felix C.. Und ordnet die Tat mit großer Sicherheit dem Angeklagten zu.

Überlebenskampf beginnt...

Nach mehreren Stichen in seine rechte Seite und seinen Rücken habe für ihn der Überlebenskampf begonnen. Mehrere Operationen waren nötig, eine Woche lang lag er auf der Intensivstation. Auch heute seien die körperlichen Folgen ständig präsent. Aber auch die psychische Belastungen.

Somit liegen dem Gericht vier Versionen des Geschehens vor. An der Situation des Angeklagten sowie des Zeugen und potentiellen Täters Patrick O. ändert sich zunächst nichts. Der Prozess wird am Donnerstag, 16. Februar, fortgesetzt.

Der zweite Prozesstag beginnt

Ursprünglicher Bericht:

Im Prozess um eine Messerstecherei am Rande des Olper Schützenfestes hat es am zweiten Verhandlungstag am Montag, 30. Januar, eine überraschende Wende gegeben. Der 19-jährige Angeklagte Eric T. (Name geändert) habe nicht auf zwei Männer eingestochen, erklärte Rechtsanwalt Martin Kretschmer, der den jungen Olper verteidigt.

Vielmehr sei der bislang unbekannte Begleiter Erics der Täter. Erstmals wurde dabei auch die Identität des Mannes bekannt, dessen Namen Eric T. monatelang nicht preisgegeben hatte. Die Messerattacke ausgeübt haben soll demnach Patrick O. (Name geändert) aus Lennestadt, ein Bekannter des Angeklagten.

Die beiden Männer hatten sich am Samstagnachmittag, 16. Juli 2022, in Olpe getroffen, hochprozentigen Alkohol gekauft und getrunken. Am späteren Abend besuchten sie dann das Olper Schützenfest, tranken weiter und sollen auch Kokain konsumiert haben.

Kein Messer dabei gehabt

Auf dem Rückweg in die Innenstadt sei es dann zwischen Patrick O. und einem der beiden späteren Opfer zweimal zum Streit gekommen. Beide Mal griff Eric T. ein und teilte kräftig aus. Wann das Messer ins Spiel kam, durch das zwei Männer schwer verletzt wurden, hat T. nach eigener Aussage nicht gesehen. Er habe jedenfalls nur geschlagen und nicht gestochen, da er kein Messer dabei gehabt habe.

Eric T. und Patrick O. seien nach dem handgreiflichen Streit getrennt geflüchtet und hätten sich schließlich an der Stadthalle wiedergetroffen. Dort habe Patrick dann erzählt, dass er zwei Männer niedergestochen habe, ließ der Angeklagte von seinem Verteidiger erklären. Später seien die beiden zum Tatort zurückgegangen, um das Messer zu suchen. Sie hätten es auch gefunden und von den Blutspuren gesäubert. Patrick soll das Messer dann mit nach Lennestadt genommen und dort in einen Bach geworfen haben.

Lange Zeit geschwiegen

Der Angeklagte, der seit seiner Festnahme zehn Tage nach der Tat in U-Haft sitzt, hatte seinen Lennestädter Bekannten monatelang gedeckt. Erst im Dezember hatte er seinem Rechtsanwalt den Namen genannt. Patrick O. war am Montagvormittag als Zeuge geladen, kam wegen einer Zugverspätung aber nicht rechtzeitig. Er soll jetzt ab 13 Uhr aussagen (LokalPlus berichtet weiter).

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