„Andere holen sich eine Eigentumswohnung – wir haben uns ein Boot geholt“

Annika und Eric machen Reise zum Lebensstil


  • Wenden, 14.07.2024
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  • Von Lorena Klein
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Annika und Eric aus Wenden leben seit mehr als einem Jahr auf ihrem Segelboot „Karl“. Der letzte Törn führte von Ibiza nach Mallorca. von privat
Annika und Eric aus Wenden leben seit mehr als einem Jahr auf ihrem Segelboot „Karl“. Der letzte Törn führte von Ibiza nach Mallorca. © privat

Wenden/Mallorca. Free as the ocean, frei wie der Ozean – das haben sich Annika Stahl und Eric Zeppenfeld (beide 27) zum Lebensmotto gemacht. Das junge Paar aus Wenden lebt seit mehr als einem Jahr im Einklang mit dem Wind und den Wellen des Mittelmeers. Ihr ursprünglicher Plan: eine Weltumsegelung auf ihrem Boot „Karl“ (LokalPlus berichtete). Doch festgesteckte Ziele haben die beiden mittlerweile über Bord geworfen: Ihr Leben auf dem Wasser möchten Annika und Eric erst einmal in vollen Zügen auskosten.


Entspannt lacht Annika in die Kamera. Blonder Bob, gebräunter Teint, Bluetooth-Kopfhörer in den Ohren. Auf ihrem weiten Shirt wuchern Pflanzen in lila, gelb und grün, an ihrem Handgelenk trägt sie ein Muschel-Armband. „Gestern sind wir auf Mallorca angekommen“, erzählt die 27-Jährige. „Davor hatten wir eine mega schöne Zeit auf Ibiza.“ Von ihrem schattigen Plätzchen im „Cockpit“ schwenkt sie zur Seite: türkisblaues Meer.

Hier bei Santa Ponça haben Annika Stahl und ihr Freund Eric Zeppenfeld in einer großen geschützten Bucht ihr neuestes Zuhause gefunden. Zumindest was den Anschluss zum Land angeht. Denn ihr eigentliches, stetiges Zuhause seit rund 16 Monaten, das ist „Karl“, ihr Segelboot, das jetzt wie Dutzende seiner Art an der Anlegestelle der Insel parkt. „Jetzt fängt die Hauptsaison an. Die Balearen sind beliebt für Boote“, erklärt Annika.

Annika und Eric auf Ibiza. von privat
Annika und Eric auf Ibiza. © privat

Im vergangenen Jahr verlassen sie und Eric ihre Heimat im Sauerland – sie kommt aus Altenhof, er aus Schönau – und setzen im April 2023 in Athen die Segel für ihren großen Traum der Weltumsegelung. Doch das Leben ist nicht planbar – schon gar nicht auf See, wo das Paar nicht im Rhythmus der Wochentage lebt, sondern sich nach Wind und Wetter richtet.

Und so entschließen sich die beiden Segler nach den ersten 2.000 Meilen, erst einmal im Mittelmeer zu bleiben. Sich von Land zu Land, von Insel zu Insel treiben zu lassen. Denn hier fühlen sie sich wohl. Auf Mallorca seien es um die 30 Grad, berichtet Annika. „Im Verhältnis zum letzten Jahr ist es ein sehr angenehmer Sommer.“

Natur gibt den Takt an

Vor einem Jahr um diese Zeit seien sie auf Sizilien gewesen: Waldbrände und 40 Grad im Boot. Dafür sei jetzt der Wind oft sehr wechselhaft – eine große Alltagsherausforderung. „Wir müssen spontan sein“, erzählt Annika. „An solchen Situationen merkt man, dass man mit der Natur lebt.“ Und die sei einem überlegen.

Auch deshalb möchte das Paar dieses Jahr entspannter angehen und Druck herausnehmen. Aus der Reise sei mittlerweile ein Lebensstil geworden. „Andere holen sich eine Eigentumswohnung – wir haben uns ein Boot geholt“, erklärt Annika.

Annika und Eric auf Formentera. von privat
Annika und Eric auf Formentera. © privat

Entschleunigt und gleichzeitig unvorhersehbar sei der Alltag auf dem Boot: „Wir haben eine Morgenroutine und eine feste Zeit, zu der wir aufstehen. Und dann gehört auf jeden Fall eine Runde schwimmen dazu.“ Doch nach dem Kaffee sei immer alles anders: Mal wird die Ankerbucht gewechselt, mal ändert sich der Wind, mal steht ein Einkauf an oder es wird an Videos für YouTube und Instagram gearbeitet.

Auf beiden Kanälen hält das Segler-Paar seine Follower stets auf dem Laufenden, gibt Einblicke in seinen außergewöhnlichen Alltag und Tipps für jene, die es auch aufs Meer zieht. Social Media-Kanäle bieten den Seglern kleine Nebeneinkünfte; daneben verdient Annika, die gelernte Physiotherapeutin ist, unter anderem Geld mit Yoga-Stunden. Vor allem aber lebt das Paar bisher von seinem Ersparten.

Kein Druck, nur das Meer

„Karl“ komme frisch aus dem sechsmonatigen „Refit“ – denn sei das Boot in gutem Zustand, seien auch alltägliche Kosten gering. Über den Sommer möchten Annika und Eric auf den Balearen bleiben, danach ist noch alles offen. „Wir haben so viele neue Leute kennengelernt“, schwärmt Annika. Diese Bekanntschaften und den Austausch genießen die Segler sehr. „Und auch Europa ist einfach cool. Die Möglichkeit, über die Grenzen frei zu reisen.“

Ein paarmal war das Wendener Paar schon zu Besuch in der Heimat. Kirmes, Schützenfest – auch das hat Annika immer sehr genossen und kehrt gerne mal zurück. „Aber man kann eben nicht auf allen Hochzeiten tanzen“, lächelt sie.

Bootsarbeiten gehören zum Segler-Leben dazu. von privat
Bootsarbeiten gehören zum Segler-Leben dazu. © privat

Im Segler-Leben sind Eric und sie nun voll angekommen. Das große Ziel der Weltumseglung ist dem des Lebens im Moment gewichen. Was beide langfristig jedoch reizt, ist eine Atlantik-Überquerung: Je nach Startpunkt wären sie dann zwei bis drei Wochen auf hoher See, ohne Land in Sicht.

Bis dahin lassen sie sich mit „Karl“ jedoch alle Zeit der Welt: „Be as free as the ocean – wir machen keine Long-term-Pläne mehr“, lacht Annika. „Wir müssen die Welt nicht abhaken.“

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