Zwei gebürtige Ottfinger auf der Suche nach ihren Familienwurzeln

Geschichte einer Bergmannsfamilie


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Dieses Familienfoto ist bei einem Sonntagsspaziergang im Jahr 1940 entstanden: Rosa Bröcher (geb. Eichert) ist hinten in der Mitte zu sehen und schaut nach unten. von privates Familienarchiv
Dieses Familienfoto ist bei einem Sonntagsspaziergang im Jahr 1940 entstanden: Rosa Bröcher (geb. Eichert) ist hinten in der Mitte zu sehen und schaut nach unten. © privates Familienarchiv

Ottfingen. Joachim Bröcher und Lissa Eichert-Klute sind Großneffe und Großtante. Beide aus Ottfingen und mittlerweile woanders gelandet. Ihr Heimatdorf und ihre Wurzeln führen den Uni-Professor und die Dame eines Tages zusammen. Gemeinsam gehen sie ihrer Familiengeschichte auf die Spur und schreiben ein Buch. Seit November ist es erhältlich.


Das Werk trägt den Titel „Soziale Schicht, Bildung und Schicksal – Geschichte einer Bergmannsfamilie in Ottfingen, um 1900“. Und genau das ist auch der Kern: Denn der Stand der Familie, das eigene Geschlecht und die damit verbundenen Bildungschancen beeinflussten die Lebenswege in früheren Generationen maßgeblich.

Joachim Bröcher und Lissa Eichert-Klute beleuchten insbesondere die Geschichten zweier Familienmitglieder: Johann Eichert, Vater der Autorin, und Rosa Bröcher (geb. Eichert), Großmutter des Autors. Johann und Rosa sind Geschwister, zwei von insgesamt elf Kindern des Bergmanns Josef Eichert und seiner Ehefrau Maria.

Johann Eichert (vorne rechts) im Kreise seiner Familie. Das Foto stammt aus dem Jahr 1953. Zu diesem Zeitpunkt war Johann Eichert bereits seit einem Jahr als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Wenden tätig und musste vieles unter einen Hut bringen: seine Arbeit als technischer Zeichner, seine Rolle als Vater von sieben Kindern und eben das Amt des Bürgermeisters. Seine Tochter Lissa (vorne, Zweite von links) war damals noch ein kleines Mädchen. von privates Familienarchiv
Johann Eichert (vorne rechts) im Kreise seiner Familie. Das Foto stammt aus dem Jahr 1953. Zu diesem Zeitpunkt war Johann Eichert bereits seit einem Jahr als ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Wenden tätig und musste vieles unter einen Hut bringen: seine Arbeit als technischer Zeichner, seine Rolle als Vater von sieben Kindern und eben das Amt des Bürgermeisters. Seine Tochter Lissa (vorne, Zweite von links) war damals noch ein kleines Mädchen. © privates Familienarchiv

Johann erhält die damals seltene Chance, das Rivius-Gymnasium in Attendorn zu besuchen. Nach dem Tod seines Vaters reicht das Geld für den Schulbesuch nicht mehr, kurz vor dem Abitur muss er abbrechen und wird schließlich technischer Zeichner bei der Firma Brandt in Rothemühle. Sein ausgeprägtes soziales Engagement verhalf Johann später zum Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters und zum Titel des Ehrenbürgers.

Für Johanns Schwester Rosa waren die Hürden der Zeit als Frau noch größer. Sie heiratete den Schmied Gustav Bröcher, wurde Mutter von acht Kindern, hielt die Familie zusammen. Ihre Leidenschaft galt dem Lesen von Romanen, in die sie sich vertiefte.

Zwei lernen sich kennen – und beginnen zu recherchieren

Die beiden Autoren des Buchs sind zwar verwandt – doch persönlich kennengelernt haben sie sich erst durch das gemeinsame Projekt. Joachim Bröcher ist gelernter Sonderschullehrer, arbeitet inzwischen als Professor an der Europa-Universität Flensburg und lebt in Berlin. Lissa Eichert-Klute war ihr Leben lang im Unternehmen tätig, das ihr Mann gegründet hat. Sie wohnt in Sundern-Allendorf und ist Studentin der Mittwochsakademie an der Uni Siegen. Aufgewachsen sind beide in Ottfingen.

Joachim Bröcher von privat
Joachim Bröcher © privat

Ein Sohn der im Buch zentralen Person Rosa, Siegfried Bröcher, führt Großtante und Großneffe schließlich zusammen. Mit Joachim Bröcher hatte er vor zehn Jahren ein ähnliches Projekt verwirklicht – über seine väterliche Seite der „Bräijder“ – und regte an, auch bei der mütterlichen Linie, den „Chreschten“, nachzuforschen.

Lissa Eichert-Klute von privat
Lissa Eichert-Klute © privat

So rief er kurzerhand seine Cousine Lissa an, reichte seinem Neffen Joachim das Telefon. „Sollen wir uns duzen? Wir sind ja noch verwandt!“ – das sei der erste Kontakt gewesen, erinnern die beiden Autoren sich. Von da an begann die zweijährige Recherche: Gespräche mit Familienmitgliedern führen und Quellen sammeln, Besuche im Wendener Archiv und Unterstützung von einer Ahnenforscherin aus Hünsborn. „Wir haben konstant Voice-Mails ausgetaucht – zu allen Tag- und Nachtzeiten“, erzählt Joachim Bröcher.

„Jetzt kann ich vieles besser verstehen“

Auf der Reise in die Vergangenheit erfahren sie auch einiges über sich selbst. „Mein Vater ist seit mehr als 50 Jahren verstorben. In meinem weiteren Leben habe ich nicht viel über ihn nachgedacht“, erzählt Lissa Eichert-Klute. „Doch jetzt kann ich vieles besser verstehen – auch mein eigenes Leben.“

Die Ereignisse im Buch umfassen einen Zeitraum von etwa 1750 bis 1970. Gerade jungen Menschen und allen, die die heutige Welt als negativ empfinden, könne das Buch möglicherweise Impulse geben, erklärt Lissa Eichert-Klute: „Wenn man sich mit der Welt unserer Vorfahren beschäftigt, dann sieht man das vielleicht anders.“ Und schließlich werde auch die Rolle von Schule und Bildung deutlich, ergänzt Joachim Bröcher: „Das Buch zeigt jungen Menschen, dass die heutige Gesellschaft ihnen etwas anbietet, was sie nicht ausschlagen sollten.“

Das Buch „Soziale Schicht, Bildung und Schicksal – Geschichte einer Bergmannsfamilie in Ottfingen, um 1900“ ist im November erschienen und bei allen Buchhändlern erhältlich. von Lorena Klein
Das Buch „Soziale Schicht, Bildung und Schicksal – Geschichte einer Bergmannsfamilie in Ottfingen, um 1900“ ist im November erschienen und bei allen Buchhändlern erhältlich. © Lorena Klein

Das Buch „Soziale Schicht, Bildung und Schicksal – Geschichte einer Bergmannsfamilie in Ottfingen, um 1900“ (288 Seiten, ISBN 978-3759762122) ist seit November bei allen Buchhändlern zu kaufen und auch als E-Book erhältlich.

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