Bundesaußenminister a.D. Sigmar Gabriel zu Besuch im Siegener Lÿz

Blick auf Deutschland, Europa und die Welt


Sigmar Gabriel gastierte im Siegener Lÿz. von Thomas Range
Sigmar Gabriel gastierte im Siegener Lÿz. © Thomas Range

Siegen. Am 9. Juni ist die Europawahl. Wohin steuert Deutschland innerhalb Europas in der Welt? Und wie werden die Deutschen von den europäischen Nachbarn gesehen? Diese und viele andere Fragen hat Sigmar Gabriel, ehemaliger Bundesaußenminister und inzwischen Vorsitzender der Atlantik-Brücke, beantwortet.


Eingeladen hatten ihn die IHK Siegen, die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd, der Deutsche Gewerkschaftsbund Region Südwestfalen, ver.di Südwestfalen sowie die IG Metall und die Arbeitgeberverbände in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein.

Wichtigstes Fazit des Abends im Schauplatz des Siegener Lÿz: Die Bürger sollten auch im Falle der oftmals ungeliebten und unterschätzten Europawahl ihr Kreuzchen machen, denn, so Gabriel: „Diejenigen, die Europa bekämpfen wollen, die werden in jedem Fall hingehen.“

Der einstige SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister richtete den Blick gemäß dem Titel seines Vortrags „Europa in unbequemen Zeiten“ aber nicht nur auf die Europäische Union selbst, sondern auch auf deren Rolle in der Welt.

Genügend Baustellen

Baustellen warten aber schon vor der eigenen Haustür zur Genüge: Die immer wieder auch im Schulterschluss von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften angemahnten Verbesserungen der Infrastruktur, die Beschleunigung von Planungsprozessen und Entbürokratisierung betrachtete Gabriel mit erhobenem Zeigefinger:

„Es ist uns nach der Wende mit den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit gelungen, im Bundestag festzulegen, wie Straßen, Wasserwege und Schienen zwischen Ost und West für den Lückenschluss verbunden werden sollen. So etwas brauchen wir jetzt wieder!“

Tobias Tigges, Harald Görnig, Sigmar Gabriel, Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher, Christopher Mennekes, Klaus Gräbener, André Arenz (von links). von Thomas Range
Tobias Tigges, Harald Görnig, Sigmar Gabriel, Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher, Christopher Mennekes, Klaus Gräbener, André Arenz (von links). © Thomas Range

Es gebe zu viele Klagemöglichkeiten, die wichtige Prozesse, wie beispielsweise auch den Bau von Stromtrassen, unendlich verlängerten.

Anschließende Diskussionsrunde

Christian F. Kocherscheidt, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender der Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein, pflichtete ihm in der anschließend von Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher (Universität Siegen) moderierten Diskussionsrunde bei:

„Wir entscheiden ideologisch oder gar nicht.“ Das jahrzehntelange Warten auf eine akzeptable Straßenverbindung zwischen Siegerland und Wittgenstein sei nur ein Beispiel von vielen. Ein Punkt, den Sigmar Gabriel unterstützte:

„Wir brauchen weniger Werte-Entscheidungen als Prioritäten-Setzungen. Werte und Interessen müssen immer miteinander abgewogen werden.“ Mit Blick auf die Politik und das demokratische System warnte er zudem davor, Politik nicht mehr vernünftig zu erklären.

Unverständnis bei vielen Menschen

Es herrsche bei vielen Menschen großes Unverständnis darüber, was „die da oben“ trieben: „Diesen Eindruck der Menschen müssen wir wieder reduzieren.“ Ebenso müsse man mit den Wählern, die extrem links oder extrem rechts wählten, ins Gespräch kommen.

Diskussion zur Lage Europas: Sigmar Gabriel, Christian F. Kocherscheidt, Tobias Tigges, Christopher Mennekes, Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher (von links). von Thomas Range
Diskussion zur Lage Europas: Sigmar Gabriel, Christian F. Kocherscheidt, Tobias Tigges, Christopher Mennekes, Prof. Dr. Alexandra Nonnenmacher (von links). © Thomas Range

Ein Hebel, da pflichteten die weiteren Podiumsteilnehmer Christopher Mennekes (IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes für den Kreis Olpe) und Tobias Tigges (Gesamtbetriebsratsvorsitzender SMS Group) dem Ex-Minister bei, sei eine klare und gemeinsame Kommunikation von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben.

Tigges: „Wir müssen die Debatte gemeinsam führen.“ Und das in aller Deutlichkeit, wie Mennekes unterstrich: „Sonst besudeln wir unser Ansehen in der Welt.“ Die Deutschen unterschätzten, wie genau ihr Agieren auf der Weltbühne beobachtet werde, und das immer noch vor historischem Hintergrund.

China sei gewillt, die Kräfteverhältnisse weg von Europa und Amerika zu verschieben. Um das zu verhindern, müssten die Europäer lernen, Verantwortung zu übernehmen.

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