Etwas Neues zur Doppelbesteuerung von Renten

Wissenswertes zu Rentenbezügen


Topnews
Marcus Kaufmann, Ratgeber Steuern. von privat
Marcus Kaufmann, Ratgeber Steuern. © privat

Kreis Olpe. Die Besteuerung von Rentenbezügen sorgt immer wieder für Aufregung. Wie vor einiger Zeit an dieser Stelle aufgezeigt, gleiten jedes Jahr zahlreiche Rentner in die Steuerpflicht hinein, die bisher vom Fiskus verschont geblieben sind. Besonders ärgerlich wird es aber, wenn Rente besteuert wird, obwohl die Beiträge zur Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen bezahlt worden sind.


Das ist der Fall, wenn Beiträge zur Rentenversicherung nicht oder nur zu einem geringen Teil als Sonderausgaben abgesetzt werden konnten. Dann spricht man von „Doppelbesteuerung von Renten“.

Hintergrund ist der Systemwechsel ab dem Jahr 2005. Bis zu diesem Jahr wurden Renten mit dem „Ertragsanteil“ versteuert. Wer mit 65 Jahren in Rente ging, hatte einen Ertragsanteil von 27 Prozent zu versteuern. Das sollte in etwa dem entsprechen, was über die Rückzahlung der eingezahlten Rentenbeiträge hinausging. Somit waren 73 Prozent der Rentenbezüge steuerfrei.

Hohe Besteuerung

Die Beiträge zur Rentenversicherung konnten zwar als Sonderausgaben abgezogen werden, sie wirkten sich allerdings bei den meisten Steuerpflichtigen nicht aus, weil zusammen mit anderen Versicherungsbeiträgen die Höchstbeträge für den Abzug überschritten waren.

Wer 2005 in Rente ging, musste 50 Prozent der Rente versteuern. Hier ist im Gesetz von „Besteuerungsanteil“ die Rede. Die Idee des Gesetzgebers war hier, diesen Prozentsatz bis 2020 jedes Jahr um zwei Prozent zu erhöhen und ab 2021 jedes Jahr um ein Prozent.

So müsste jemand, dessen Rentenbeginn im Jahr 2020 liegt, 80 Prozent seiner Rente versteuern. Bei Rentenbeginn im Jahr 2040 wäre die 100 Prozentige Besteuerung erreicht. Der steuerfreie Anteil, für 2020 also 20 Prozent, wird festgeschrieben und jedes Jahr vom Jahresbetrag der Rente als „Freibetrag“ abgezogen.

Rentenerhöhungen steuerpflichtig

Die jährlichen Rentenerhöhungen sind dadurch steuerpflichtig. Der Steuerfreibetrag wird für das Jahr, das auf den Rentenbeginn folgt, ermittelt. Denn in diesem Folgejahr wird zum ersten Mal in allen 12 Monaten Rente ausbezahlt. Der Steuerfreibetrag ist der oben beschriebene Prozentsatz von der ersten vollen Jahres-Rente.

Im Gegenzug sollten die Beiträge zur Rentenversicherung in stärkerem Maß als Sonderausgabe abzugsfähig sein, ohne Berücksichtigung von Höchstbeträgen. Im Jahr 2005 sollten es 60 Prozent der Beiträge sein, dann jedes Jahr zwei Prozent mehr bis 100 Prozent im Jahr 2025. Wichtig: Diese Prozentsätze sind unabhängig vom Jahr des Renteneintritts und daher für alle gleich. Von den geltend zu machenden Rentenbeiträgen sind dann noch steuerfreie Zuschüsse des Arbeitgebers zu kürzen.

Wer nun beispielsweise 2013 in Rente ging und nachrechnete, stellte Folgendes fest: Für die Jahre 2005 bis 2013 konnten Rentenbeiträge geltend gemacht, die sich auch spürbar auswirkten, also für gerade einmal 9 Jahre. Die Rente würde aber lebenslänglich zu 66 Prozent zuzüglich aller Erhöhungen versteuert werden.

Änderungen zugunsten des Steuerzahlers

Das führt dazu, dass Rente, die größtenteils aus bereits versteuertem Einkommen resultiert, versteuert wird. Für jeden Rentenjahrgang sieht es etwas anders aus: Wer früher in Rente ging, hat auf der einen Seite einen größeren Freibetrag, hat aber auf der anderen Seite auch für weniger Jahre die höhere Abziehbarkeit der Rentenbeiträge. Seit diese Rentenreform in Kraft ist, wird sie aus diesem Grund kritisiert.

Der Gesetzgeber hat mit der überlangen Übergangsphase von 35 Jahren versucht, die Ungerechtigkeiten des Systemwechsels abzumildern. Klagen vor den Finanzgerichten wurden erhoben, bis schließlich der Bundesfinanzhof in seinen Urteilen vom 19. Mai 2021 feststellte: Eine unzulässige Doppelbesteuerung liegt nicht vor, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der Rentenbeiträge, die sich steuerlich nicht ausgewirkt haben.

Rentner erhalten derzeit Steuerbescheide, die in dieser Frage „vorläufig“ sind, also zugunsten des Steuerzahlers noch geändert werden können. Das Finanzamt schreibt dazu aber in einem Erläuterungsteil, dass für eine Änderung weitere Unterlagen benötigt werden. Wer diesen Weg gehen möchte, muss im ersten Schritt ermitteln, wieviel Rente er oder sie voraussichtlich steuerfrei erhalten wird. Der Freibetrag wird mit der voraussichtlichen Lebenserwartung vervielfacht, z. B. mit 20.

Komplizierte Regelung für Hinterbliebenenrente

Noch komplizierter wird es bei Ehepaaren: Im Fall des Todes wird ein Teil der Rente als Witwenrente bzw. Witwerrente an den Hinterbliebenen weiter bezahlt. Diese Renten sind nach dem Richterspruch in den Vergleich einzubeziehen. Ein kurzer Ausflug ins Rentenrecht ist anzustellen, um zu ermitteln, wie hoch der Anteil an der Rente ist, der (mit oder ohne Anrechnung eigener Rentenbezüge) als Hinterbliebenenrente voraussichtlich gezahlt werden wird.

Man stößt beispielsweise auf den Rentenartfaktor 0,55, was bedeutet, dass 55 Prozent der ursprünglichen Rente dem Überlebenden weiter gezahlt werden. Somit gelten 55 Prozent des Freibetrags des zuerst Versterbenden als Rente, die an den überlebenden Ehegatten voraussichtlich steuerfrei weiter ausgezahlt werden.

In der anschließenden Prognoserechnung wird unterstellt, dass beide entsprechend der statistischen Lebenserwartung versterben und die ganze Zeit ihre Rente beziehen. Die Geldentwertung bleibt bei dieser Prognoserechnung außer Acht, obwohl der Prognosezeitraum Jahrzehnte umfasst. Die Summe dieser prognostizierten steuerfreien Rentenbezüge ist der erste Wert für den Vergleich.

Versicherungsbeiträge aus dem gesamten Erwerbsleben

Als zweites müssen alle Versicherungsbeiträge aus dem gesamten Erwerbsleben zusammengerechnet und auf ihre steuerliche Auswirkung hin geprüft werden. Das erste lässt sich noch machen, etwa mit dem Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung. Dann wird es aber problematisch: Es muss ermittelt werden, wie stark sich diese Beiträge steuerlich in jedem Jahr ausgewirkt haben.

Das bedeutet eine Reise durch die jüngere Geschichte des Steuerrechts: Vor 2005 war der „Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag“ auf der Lohnsteuerkarte vielfach die Ausgangsgröße, dazu kamen weitere privat abgeschlossene Versicherungen. Abziehbar waren zum Beispiel ein „Höchstbetrag“ von 4.680 DM und ein „hälftiger Höchstbetrag“ von 2.340 DM.

Es änderten sich alle paar Jahre die „Höchstbeträge“ und mit ihnen die „hälftigen Höchstbeträge“. 2002 änderten sie sich mit der Umstellung von DM auf Euro erneut. Für die Berechnung setzt man den Anteil, der nicht abziehbar war, ins Verhältnis zu allen Versicherungsbeiträgen und erhält einen Prozentsatz.

Verlängerung der Übergangsphase

Dieser Prozentsatz von den geleisteten Rentenbeiträgen ergibt den Anteil an den Rentenbeiträgen, der sich nicht ausgewirkt hat. Dieser Teil wurde aus „versteuertem Einkommen“ bezahlt und ist der zweite Wert für den Vergleich. Man braucht also auch alle Steuerunterlagen aus dem gesamten Berufsleben, um diese Rechnung anstellen zu können.

Was tun? Zunächst hat der Gesetzgeber geregelt, dass bereits ab 2023 und nicht erst ab 2025 Rentenbeiträge zu 100 Prozent (abzüglich Arbeitgeberanteil) abzugsfähig sind. Des Weiteren ist geplant, die Übergangsphase bis 2058 zu verlängern: Ab 2023 soll danach der Besteuerungsanteil jährlich in Schritten von 0,5 Prozent statt von 1 Prozent steigen und dadurch erst im Jahr 2058 statt 2040 Renten zu 100 Prozent steuerpflichtig werden.

Hoffnung auf ein gutes Ende

Das ist erfreulich für zukünftige Rentnerinnen und Rentner, ändert aber nichts an der Situation für Meschen, die heute bereits Rente beziehen. Für sie sind weitere Regelungen erforderlich. So wie oben beschrieben werden kaum Steuerpflichtige ans Ziel kommen, ihre Renten mit einem niedrigeren Steuersatz versteuern zu dürfen.

Auch die Finanzämter würden Probleme bekommen, eine Vielzahl individuell erstellter Berechnungen und weitere Unterlagen zu überprüfen und auf dieser Basis Bescheide zu ändern. Diese weiteren Regelungen sollen „zeitnah in einem dritten Schritt gesetzlich geregelt werden“. Es besteht also Hoffnung, dass die Thematik doch noch zu einem guten Ende kommen wird.

Artikel teilen: