Leid, Verzweiflung – und immer ein Lachen: „Midnight Traveller“ begeistert

Lennestädter Flüchtlingsfamilie zeigt ihren Film


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Mit dem Handy filmte die Familie ihre Flucht aus Afghanistan. Der Film „Midnight Traveller“ ist inzwischen preisgekrönt. von privat
Mit dem Handy filmte die Familie ihre Flucht aus Afghanistan. Der Film „Midnight Traveller“ ist inzwischen preisgekrönt. © privat

Altenhundem. In den vollbesetzten Reihen im Lichtspielhaus Lennestadt herrscht absolute Stille. Alle blicken gespannt auf die große Leinwand, wo – auf Einladung der AG „es TUT sich WAS“ – der Film „Midnight Traveller“ gezeigt wird. Es ist die Dokumentation über die dreijährige Flucht der Familie Fazili aus Afghanistan bis nach Deutschland.


Bereits am Eingang tummeln sich die Kinobesucher. Alle, auch viele Schüler, sind da, um sich den Film „Midnight Traveller“ anzusehen und die Familie Fazili, die ebenfalls vor Ort ist, kennenzulernen. Kurz vor Beginn des Filmes ist der Kinosaal komplett voll. Es werden bereits Klappstühle am Rand aufgebaut.

85 bewegende Minuten

85 Minuten lang blicken die zahlreichen Zuschauer gebannt auf die Leinwand. Sie sind bewegt von den Bildern: Geplagt von Hunger, Angst und Not, sprechen der Filmemacher Hassan Fazili und seine Familie regelmäßig in die Handykamera. In den Gesichtern der Besucher finden sich viele Fragezeichen: Wie hat die Familie – Vater Hassan, Mutter Fatima und die kleinen Töchter Nagris und Zarah - die dreijährige Herausforderung meistern, die Flucht schaffen können?

Nach dem Film beantwortete die Familie Fazili die Fragen der Zuschauer. von Kerstin Sauer
Nach dem Film beantwortete die Familie Fazili die Fragen der Zuschauer. © Kerstin Sauer

In dem Film, der nur mit drei Handys gefilmt wurde, wird die Flucht aus Afghanistan nach Deutschland anschaulich gezeigt. Der Aufbruch in der Heimat, Zwischenstopps in Flüchtlingsunterkünften in verschiedenen Ländern, Tage und Nächte im kalten Wald. Man sieht die verschiedenen Lager und wie überfüllt diese sind. In einer Szene versucht die Familie, sich auf einem Flur mit Matratzen abzuschirmen und sich auf die Nacht vorzubereiten.

Pflaumen gegen den Hunger

Auch die Problematik der fehlenden Nahrung wird deutlich. Die Kinder brechen in fremde Gärten ein, um Pflaumen zu stehlen. „Wir haben oft nichts gegessen. Wenn es nur wenig gab, haben wir es den Kindern überlassen“, so Familienvater Hassan Fazili im Anschluss an den Film. Katastrophal auch die hygienischen Bedingungen in einigen Lagern: Die Kinder bekommen Ausschlag, Hände und Gesicht sind mit Stichen übersät.

Bewundernswert, dass trotz dieser Strapazen und Extremsituationen immer noch viele Szenen dabei sind, in denen die Familie lacht. Die Kinder spielen „Polizist und Reisender“ und Mutter Fatima gibt sich ebenfalls Mühe, glücklich zu sein. Sie und ihre Töchter lachen oft in die Kamera, freuen sich über Kleinigkeiten wie Schnee am Weihnachtstag.

Gefährliche Fluchtwege

Doch immer wieder Leid, Trauer, Verzweiflung. Der Zuschauer erlebt hautnah die Wünsche und Träume, aber auch die Ängste und Sorgen der Flüchtlingsfamilie. Hassan muss sich immer überlegen, wie es weiter geht. Viele Flüchtlinge werden gefangen genommen oder verschwinden. Illegale Fluchtwege bergen Gefahren. Der Familienvater steht regelmäßig vor schweren Entscheidungen, welchen Weg sie einschlagen wollen. Letztlich führt der Weg sie nach Deutschland. Derzeit wohnt die Familie in Lennestadt.

Nach dem Film beantwortet die Familie Fragen aus dem Zuschauerraum, ein Dolmetscher unterstützt sie dabei. Die Fazilis bedanken sich herzlich für jegliche Unterstützung. Und Hassan betont: „Es ist nicht unser Familienfilm, es ist ein Film über das Leid von Tausenden von Menschen“.

Beifall mit den besten Wünschen

Das Publikum ist begeistert vom Mut und der Tapferkeit der Familie. Und noch mehr, als Nagris erzählt, dass sie – nachdem sie die Klassen 3 und 4 verpasst hat – in die fünfte Klasse am Gymnasium der Stadt Lennestadt eingeschult wurde. Langanhaltender Applaus zeugt vom Respekt der vielen Zuschauer, die der Familie Fazili nur das Beste für die Zukunft wünschen.

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